Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0050 - Der Stein des Satans

0050 - Der Stein des Satans

Titel: 0050 - Der Stein des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
Vom Netzwerk:
trat er näher, richtete die Taschenlampe auf die entsprechende Stelle des Bildes – und schlagartig wich das Blut aus seinem Gesicht.
    Zwei Menschen, schutzlos der glühenden Sonne preisgegeben.
    Zwei Menschen in der Kleidung des zwanzigsten Jahrhunderts!
    Bill Fleming und Nicole Duval, die in der Mitte des Gemäldes gefesselt an einem Pfahl standen…
    ***
    Zamorra brauchte ein paar Sekunden, um das Ungeheuerliche zu begreifen.
    Schweiß bedeckte seine Stirn. Immer noch starrte er die gemalten Gestalten seiner Freunde an, und tief in ihm schienen die Worte aus der alten Chronik widerzuhallen:
    »Verflucht sollst du sein und der Rache der Toten anheimfallen! Deine Seele soll keine Ruhe finden, bis der ›Stern des Morgenlandes‹ zurückkehrt ins Reich des Propheten. Schmachten soll deine Seele in Verdammung und Finsternis…«
    Der Fluch des Kalifen hatte sich erfüllt.
    Hier in diesem Verlies, in dem er den geraubten Stein aufbewahrte, war Leonardo de Montagne eines rätselhaften Todes gestorben.
    Hier musste sich seine Seele, zu ewiger Ruhelosigkeit verdammt, in den Dämon verwandelt haben, dessen Bildnis das Gemälde an der Wand zeigte. Jahrhundertelang hatte er hinter der versteckten, mit geweihten Siegeln verschlossenen Tür ein unheiliges Leben geführt.
    Jahrhundertelang hatte er vergeblich auf seine Befreiung gewartet – und dann waren Bill und Nicole gekommen.
    Sie hatten die Tür geöffnet, die geweihten Siegel gebrochen.
    Sie waren in den Bann von Leonardos Dämon geraten – und er hatte sie hinübergesogen in jenes Gemälde, in eine andere Zeit und eine andere Welt.
    Warum?
    Zamorra presste die Lippen zusammen – er ahnte die Wahrheit.
    Der Dämon wollte sich befreien von dem alten Fluch. Er war an seinen Platz gebannt, er konnte sich nicht selbst in jene längst vergangene Zeit versetzen, um in der Gestalt des lebenden Leonardo den ›Stern des Morgenlandes‹ seinem Besitzer zurückzugeben. Aber er konnte Menschen in seinen Bann ziehen, konnte sich ihrer als Werkzeuge bedienen. Das Bild musste eines jener seltenen, verborgenen Tore in eine andere Dimension sein, einer der geheimnisvollen Punkte, an denen die Zeitschranke aufgehoben war. Bill Fleming und Nicole Duval hatten dieses Tor durchschritten, hatten eine lange Reise gemacht in die Tiefe der Zeit, und jetzt…
    Sie befanden sich in Gefahr.
    Kein Zweifel, dass sie in die Gefangenschaft der Kreuzritter geraten waren und dass ihnen ein grässlicher Tod bevorstand.
    Zamorras Rechte tastete nach dem Amulett, er spürte das leise Brennen – und jetzt erst sah er das Abbild des Talismans, das auf dem Gemälde um Leonardos Hals hing.
    Es war, als entstehe von einer Sekunde zur anderen ein starkes Magnetfeld.
    Zamorra nahm das Amulett ab, fast ohne es zu wissen. Es glänzte auf, strahlte, pendelte leicht hin und her. Da war ein Sog, eine Verbindung, eine Art unsichtbarer Energiestrahl zwischen dem Talisman und seinem Abbild. Wie unter einem Zwang ging der Professor auf das große Gemälde zu, blieb stehen – und hob die Hand, obwohl ihn in letzter Sekunde das Gefühl der Gefahr gleich einem Blitzstrahl durchzuckte.
    Das Amulett pendelte.
    Ganz kurz nur berührte es sein Abbild auf der Leinwand. Funken sprühten auf, etwas knisterte bedrohlich – und als der Talisman zurückschwang, hatte sich im Bruchteil von Sekunden eine Verwandlung vollzogen.
    Das gemalte Amulett um Leonardos Hals schien plötzlich zu gespenstischem Leben zu erwachen.
    Der Drudenfuß glitzerte auf, erstrahlte in reinem Silberglanz. Von der Mitte her breitete sich das Leuchten aus, erfasste den Ring der Tierkreiszeichen, den äußeren Ring mit den geheimnisvollen Symbolen und Hieroglyphen – und in einem Gefühl tiefen Entsetzens wurde Zamorra bewusst, dass der Talisman in seiner eigenen Hand den Glanz verloren hatte und kalt und wie tot an der silbernen Kette hing.
    Gelächter klang auf.
    Ein wildes, teuflisches Gelächter das nicht von dieser Welt war…
    Ganz langsam erwachte die Gestalt auf dem Bild zum Leben, drehte den Kopf, und der Blick des Dämons senkte sich wie eine Sonde in Zamorras Augen.
    »Du hast mich befreit, Meister des Übersinnlichen«, dröhnte eine Stimme, die von überall gleichzeitig zu kommen schien. »Du hast mich befreit aus den Fesseln der Verbannung, du hast meinem Amulett die Kraft zurückgegeben, und diese Kraft ist stärker als der Bannfluch des Kalifen. Ich brauche sie nicht mehr, jene Erdenwürmer, die ich in die Zeit meines irdischen Lebens

Weitere Kostenlose Bücher