0050 - Der Stein des Satans
bedrohlichen Pause: »Der Sieg ist unser! Nichts wird uns aufhalten! Die Retter des Heiligen Landes kennen Mittel und Wege genug, eure frevlerischen Zungen zu lösen…«
***
Die Türme von Château Montagne standen schwarz in einer malvenfarbenen Dämmerung, als Professor Zamorra mit dem geliehenen Wagen über die Zugbrücke rollte.
Von dem alten Raffael ließ er sich noch einmal berichten, was geschehen war. Soweit es etwas zu berichten gab! Bill und Nicole hatten sich gestern Abend an den Kamin gesetzt, und der Butler hatte einen Imbiss serviert. Als er dann fragen wollte, ob er noch gebraucht werde, war niemand mehr da. Zuerst maß er dieser Tatsache keine Bedeutung bei. Aber als Bill und Nicole weder am Abend noch am nächsten Morgen wieder auftauchten und die Haushälterin aus dem Dorf dazu noch berichtete, dass ihre Betten unberührt seien, war Raffael misstrauisch geworden. Vergeblich hatte er das ganze weitläufige Gebäude abgesucht, vergeblich Leute in die nähere Umgebung geschickt – und schließlich mit Paris telefoniert, um Zamorra zu erreichen.
»Der Wagen von Monsieur Fleming steht noch in der Garage«, schloss der Butler seinen Bericht. »Es fehlt überhaupt kein Fahrzeug! Es ist ein Rätsel…«
Ein Rätsel war es in der Tat.
Zamorra spürte förmlich den Hauch des Unheimlichen, der ihn schon bei den merkwürdigen Ereignissen in Paris gestreift hatte. Er schüttelte nur den Kopf auf die Frage, ob er etwas zu sich nehmen wolle. Während Raffael sich um das Gepäck kümmerte, ging Zamorra mit langen Schritten ins Kaminzimmer hinüber – und dort entdeckte er das aufgeschlagene Buch auf dem niedrigen Eichentisch.
Der Band, den Nicole und Bill in einem Geheimfach in der Bibliothek gefunden hatten!
Zamorra ahnte, dass dies der Schlüssel zur Lösung des Rätsels war, dass das Verschwinden seiner Freunde mit dem Buch zusammenhing. Ein seltsames Prickeln zog über seine Haut, als er die vergilbten Seiten berührte. Rasch überflog er das aufgeschlagene Blatt – und seine Augen verengten sich, als ihm klar wurde, dass die Chronik tatsächlich über den Tod Leonardos, des Schrecklichen, berichtete.
Ein düsteres Geheimnis habe er in den Gewölben der Burg gehütet, hieß es.
Und eines Tages war dann seine Leiche in einem Verlies gefunden worden. Von einem Fluch war die Rede, von einem »Mal des Satans« auf der Stirn des Toten. Aus irgendwelchen Gründen schienen es Leonardos Gefolgsleute dann für nötig gefunden zu haben, die Leiche in dem Verlies einzuschließen. Ein Priester weihte sieben Siegel und sieben Schlösser – und danach sagte sich Leonardos Sohn, der junge Chlodwig, offenbar los von den Machenschaften seines unseligen Vaters.
»Auf dass der verfluchte Geist sein Gefängnis nie mehr verlasse«, wiederholte Zamorra murmelnd.
Wieso überhaupt verflucht?
Und was mochte es für ein »düsteres Geheimnis« sein, das Leonardo in den Gewölben der Burg gehütet hatte?
Die Feuerdämonen, dachte der Professor.
Die Erklärung lag nahe – und dennoch befriedigte sie ihn nicht.
Mit gerunzelter Stirn blätterte er in der Chronik zurück – und es dauerte nur wenige Minuten, bis er auf die Geschichte jenes geheimnisvollen Fluches stieß.
Der ›Stern des Morgenlandes‹…
Leonardo de Montagne, der sich mit einer kleinen Gruppe von Kreuzfahrern aus einem mörderischen Schlachtgetümmel zurückzog, der im Rücken der arabischen Krieger den ungeschützten Palast des Kalifen überfiel – und der die Schatzkammern plünderte, während seine Kameraden vernichtend geschlagen wurden. War er damals schon der »Schreckliche« gewesen? Hatten damals schon Gier und Machtbesessenheit die Frömmigkeit des Kreuzfahrers überwogen? Und hatte er geahnt, dass das Kleinod, das er raubte, weit mehr war als nur ein normaler, wenn auch besonders kostbarer Diamant?
»Heller als die Sonne aber strahlte der ›Stern des Morgenlandes‹«, sagte die Chronik. »Sein Glanz vergiftete Leonardos Herz. Solches geschah im Jahre des Herrn 1101…«
Und dann, ein paar Seiten weiter, jener grausame Fluch, mit dem der Kalif Achman seinen Feind belegte, nachdem Leonardo mit den Resten des geschlagenen Kreuzfahrer-Heers über das Meer entkommen war:
»Verflucht sollst du sein und der Rache der Toten anheimfallen! Deine Seele soll keine Ruhe finden, bis der ›Stern des Morgenlandes‹ zurückkehrt ins Reich des Propheten! Schmachten soll deine Seele in Verdammung und Finsternis…«
»Deine Seele soll keine Ruhe
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