0060 - Der Geisterfahrer
Ungeheuers. Im Licht der Taschenlampen der beiden Polizisten sahen wir seine Fußstapfen im hoher, Gras.
Der Werwolf hatte sich auf allen vieren fortbewegt.
»Sehr seltsam«, sagte der Polizeimeister. »Aber es gibt die merkwürdigsten Dinge. Ihrem Kollegen, der den Verbrecher verfolgte, ist hoffentlich nichts zugestoßen, Mr. Sinclair?«
»Suko kann auf sich aufpassen«, antwortete ich. »Aber ich werde ihm jetzt wohl doch besser folgen.«
»Das rate ich Ihnen nicht. Womöglich verirren Sie sich noch im Wald oder stürzen und verletzen sich in der Dunkelheit. Wir fahren los und fahnden nach dem Verbrecher. Den Weg zur Polizeiwache werden Sie allein finden.«
Er hatte uns die Adresse der Polizeiwache genannt und den Weg beschrieben. Ich gesellte mich zu den beiden Mädchen und dem Kommissar, wir sahen den Polizeiwagen abfahren. Fast eine halbe Stunde war verstrichen, seit meine zwei Schüsse gefallen waren und Suko den Werwolf verfolgt hatte.
Der Polizist hatte recht, im dunklen Wald konnte ich Suko und den Werwolf nicht finden. Es war kein Geheule mehr zu hören, und die Spur vermochte ich in der Dunkelheit nicht zu verfolgen. Ich mußte warten.
Vom Eingang des Parks her kamen sechs Männer und zwei Frauen auf uns zu. Einwohner von Königstein, die sich erkundigen wollten, was vorgefallen war. Der eine Mann stellte sich als Stadtrat vor.
Gisela Malthus wiederholte die ganze Geschichte noch einmal.
»Unglaublich«, sagte der Stadtrat, ein grauhaariger Mann mit einem dunkelgrünen Raglan. »Ein maskierter Unhold treibt in Königstein sein Unwesen. Das wird die Presse interessieren. Ob der Maskierte wohl noch weitere Überfälle begehen wird?«
»Da kann man sich ja abends nicht mehr auf die Straße wagen«, sagte die eine Frau.
Sie betrachteten uns neugierig. Wir unterhielten uns eine Weile, und ich nutzte die Gelegenheit, um zu fragen, ob es in Königstein und Umgebung in der letzten Zeit andere unheimliche Vorfälle gegeben hätte. Der Stadtrat schüttelte den Kopf.
»Nein, wir sind hier ein ruhiges Städtchen. Unsere Polizei ist tüchtig. Die Fremden, die hierherkommen, suchen Erholung und Ruhe. Größere Probleme gibt es nicht.«
»Du hast vergessen, den Spuk von Burg Felseneck zu erwähnen, Artur«, sagte die Begleiterin des Stadtrats. Sie musterte Roxane. »Sie sind doch Roxane von Felseneck?«
Als Roxane bejahte, fragte sie: »Ich habe Sie schon lange nicht mehr gesehen, Fräulein von Felseneck. Ist Ihnen zu Ohren gekommen, was sich auf Ihrer Familienburg abspielt?«
»Kein Wort. Was denn?«
»Sei ruhig, Marlies«, wandte der Stadtrat ein. »Das ist doch alles barer Unsinn und dummes Geschwätz. Das nimmt doch keiner ernst.«
»Was soll denn vorgefallen sein, gnädige Frau?« fragte ich.
Über der Burg Felseneck sollten seltsame Zeichen am Himmel erschienen sein. Eigenartige leuchtende Symbole. Gäste der Jugendherberge hatten von eigenartigen Gerüchen berichtet, von Schwefeldunst und einem modrigen Gestank in den alten Mauern.
Die Zeichen waren meist um Mitternacht erschienen, in der Geisterstunde. Der Gestank war zu verschiedenen Tageszeiten aufgetreten und in der Nähe des Burgbrunnens besonders intensiv gewesen.
Auch von schaurigen Lauten und dumpfen Gesängen in den Nachtstunden war die Rede. Die Begleiterin des Stadtrats berichtete außerdem noch von einer Kröteninvasion. Besonders große und fette Kröten hatten im Spätsommer in Scharen in der Nähe der Burg die Urlauber und Wanderfreunde auf den Wanderwegen mit Schrecken und Abscheu erfüllt.
»Sie werden das doch nicht für bare Münze nehmen, Mr. Sinclair«, sagte der Stadtrat und lachte. »Die Leuchtsymbole wurden nur von wenigen Menschen gesehen, und jeder beschrieb etwas anderes. Diese Leute haben ein Wetterleuchten oder verglühende Sternschnuppen erblickt oder sich etwas eingebildet. Unsere örtliche Presse schrieb darüber einen ironischen Artikel mit dem Titel ›Ufos im Taunus‹ und zog die Augenzeugen gehörig durch den Kakao.«
Von den Gerüchen und seltsamen Lauten wollte der Stadtrat überhaupt nichts wissen. Wegen der Krötenplage waren Chemikalien in den Burggraben und einen damit verbundenen Tümpel geschüttet worden. Seitdem hatte es nur noch wenige Kröten gegeben.
»Lassen Sie sich nichts aufbinden, Fräulein von Felseneck«, sagte er. »Wenn es etwas Ernsthaftes gewesen wäre, hätten wir Ihre Frau Mutter an der Cote d’Azur selbstredend informiert. Falls Sie noch irgendwelche Fragen haben, wenden Sie
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