0060 - Der Geisterfahrer
konnten Suko und ich den Geisterwagen deutlich sehen. Ein rotes Fahrzeug mit einer schwarzgekleideten Gestalt hinterm Steuer. An der hinteren Stoßstange hing statt des Nummernschildes ein Totenschädel.
Der Kopf des Dämons am Steuer drehte sich nach hinten. Ein schwarzer Totenschädel mit leuchtenden Augen starrte uns an. Es war der Schwarze Tod. Eine teuflische Freude stand in seinem Gesicht.
Suko zog die Maschine hinüber. Ich klopfte mit dem silbernen Kreuz ans Seitenfenster, direkt neben Will Mallmanns Kopf.
Will Mallmann fuhr wie ein Automat. Der Fahrtwind riß mich bei meinem Manöver fast von der Maschine. Will Mallmann und Gisela Malthus waren noch gebannt.
Aber Roxane von Felseneck und Bernard Roget nicht mehr. Sie gestikulierten, Bernard hatte sich aufgesetzt.
Ich hieb Suko auf die Schulter und deutete nach vorn. Der Chinese nickte, gab Gas, und wir schossen neben den Geisterwagen. Der Schwarze Tod starrte uns an.
Wir fuhren direkt neben ihm her. Das geweihte Kreuz strahlte, Lichtspeere schossen davon weg. Die Strahlenbündel kollidierten, die Kräfte des Guten standen gegen die geballte Macht des Bösen.
Ich hieb mit dem silbernen Kreuz gegen den Geisterwagen und rief eine Beschwörung, die mir der Fahrtwind von den Lippen riß. Und lautlos, von einem Moment zum anderen, verschwand der Geisterwagen.
Kurz vor der Ausfahrt Idstein brachte Suko die schwere BMW zum Stehen. Will Mallmann hielt knapp hinter uns und war so blaß wie ein Leichnam. Er zitterte am ganzen Leib.
Polizeisirenen gellten, und Blaulichter funkelten. Aber die heranfahrende Polizei brauchte nichts mehr zu unternehmen. Für Sekunden entstand neben der Autobahn die riesige Gestalt des Schwarzen Todes.
Ohne Sense diesmal. Die hohle Stimme des Dämons grollte.
»Diesmal hast du gesiegt, John Sinclair! Aber es ist noch nicht die letzte Runde!«
Damit verschwand der Schwarze Tod, mein furchtbarer Gegenspieler. Wir stiegen vom Motorrad, Kommissar Mallmann wankte aus dem Wagen. Auch Roxane von Felseneck, Gisela Malthus und der verletzte Bernard Roget stiegen aus.
Wir fielen uns alle in die Arme. Aus dem Autoradio des Opel Manta erklang die Durchsage des Verkehrsfunks. »Der Geisterfahrer auf der A 3 hat die Autobahn verlassen.«
***
Damit war der Geisterfahrer-Spuk im Taunus beendet. Die schwarze Wolke über der Burg Felseneck hatte sich nach einiger Zeit verflüchtigt. Von den Monstern fehlte jede Spur. Der Schwarze Tod hatte sie zu sich geholt.
Die unterirdischen Gänge und Gewölbe der Burg waren zum großen Teil eingestürzt, die magischen Zugänge existierten nicht mehr. Auch der Burgbrunnen war eingebrochen.
Der Beamte vom Amt für Bau- und Denkmalspflege wurde drei Tage später aufgegriffen, als er in den Wäldern des Taunus umherirrte.
Er erinnerte sich nur, vor vierzehn Tagen auf Burg Felseneck eingetroffen zu sein. Danach fehlte ihm jede Erinnerung, bis man ihn gefunden hatte. Er hatte keinen bleibenden Schaden davongetragen.
Unsere leichten Verletzungen kurierten wir rasch aus. Roxane von Felseneck und der kleine Bernard Roget verlobten sich.
Mit mir hatte Bernard sich ausgesöhnt.
Bei der Verlobungsfeier in einem Königsteiner Hotel, nach dem sechsten Glas Sekt, hieb er mir kräftig auf die Schulter.
»John Sinclair, in zwei Jahren beende ich mein Studium. Wenn Sie mal einen guten Zahnarzt brauchen, kommen Sie zu mir. Dafür, daß Sie uns gerettet haben, vergolde ich Ihnen alle Zähne umsonst.«
»Schlag das lieber Suko vor, Bernard«, lachte ich. »Ihm würde ein Mund voller goldener Zähne weit besser stehen als mir.«
ENDE
[1] Siehe John Sinclair Nr. 6 »Schach mit dem Dämon«
[2] Siehe John Sinclair Nr. 19 »Das Horror-Taxi von New York«
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