0060 - Der Geisterfahrer
sechs Wochen im Krankenhaus liegen müssen.«
Wir saßen in der Cafeteria der Ankunftshalle A des Rhein-Main-Flughafens am Tisch. Vor wenigen Minuten war unsere Maschine, von London kommend, in Frankfurt gelandet. Kommissar Mallmann, meine alter Freund beim Bundeskriminalamt, hatte Suko und mich am Flugsteig abgeholt.
Durch ihn sparten wir die Zollkontrolle. Denn wir waren vom BKA offiziell bei New Scotland Yard angefordert worden. Kommissar Mallmann legte Hochglanzfotos vor uns auf den Tisch.
Darauf sahen wir das völlig zertrümmerte Wrack des Opel Commodore, einen Blechhaufen, der kaum noch an ein Auto erinnerte. Der Bus stand quer auf der Autobahn, die Front war nur noch ein zerbeultes Blechgewirr. Streifenwagen, ein Rettungshubschrauber, in den Sanitäter gerade die Bahre mit dem schwerverletzten Busfahrer verluden, und Polizisten waren noch auf den Fotos zu sehen.
Der Busfahrer hatte ungeheures Glück gehabt, daß er am Leben geblieben war. Das Autowrack lag vierzig Meter von dem Bus entfernt neben der Autobahn.
»So geschehen vor drei Tagen auf der A 3«, sagte Will Mallmann. »Um 21 Uhr 47.«
Ich gab die Fotos zurück.
»Geisterfahrer, also Leute, die auf der Autobahn in der falschen Richtung fahren, gibt es in jedem Land. Viele Fälle passieren nachts. Besonders an Autobahnbaustellen geschieht es, daß unaufmerksame oder unerfahrene Fahrer auf die falsche Fahrspur geraten. Oder sie nehmen die Ausfahrt statt der Einfahrt. Ausländer und Betrunkene stellen einen hohen Prozentsatz des Geisterfahrerkontingents. Aber du glaubst, in diesem Fall sind andere Ursachen im Spiel, Will?«
»Das glaube ich nicht nur, das weiß ich, John. Paß auf, das ist der dritte Fall binnen vier Wochen in einem kleinen Gebiet. Alle drei Geisterfahrten spielten sich in einem Umkreis von vierzig Kilometern um den Feldberg herum ab. Die drei Unfälle passierten alle auf den Taunusstrecken.«
Vier Todesopfer, zwei Schwer- und einen Leichtverletzten hatten die drei Geisterfahrten gefordert. Die Bilanz hätte wesentlich schlimmer aussehen können. Jedesmal gaben Polizeibeamte und Unfallzeugen hinterher an, eine riesige schwarze Gestalt über der Unfallstelle gesehen zu haben.
Schwarz gekleidet, mit einem schwarzen Totenschädel und gleißenden weißen Augen. Fünf Minuten sollte diese Horrorerscheinung über dem Unfallort gestanden haben, riesig und drohend.
»Zunächst wurden diese Aussagen als barer Unsinn abgetan«, sagte Mallmann. »Die Presse erwähnte nichts davon. Selbst die Zeugen glaubten an eine Sinnestäuschung. Beim zweiten Unfall wurde ich informiert. Dann passierte der dritte, da schickte ich das Fernschreiben an Superintendent Powell.«
Die schwarze Gestalt war auf keiner Fotografie zu sehen. Die Hochglanzbilder zeigten als Hintergrund den Nachthimmel und in einem Fall die Lichter einer Ortschaft. Ich mußte an den Schwarzen Tod denken, meinen alten Feind.
Er war die rechte Hand des Teufels und einer der mächtigsten Dämonen überhaupt. Ich, John Sinclair, von Eingeweihten scherzhaft und respektvoll »Geisterjäger« genannt, hatte schon ein paarmal die Klingen mit ihm gekreuzt.
»Wir stehen dir zur Verfügung, Will«, sagte ich. »Obwohl ich noch nicht weiß, wo und wie wir anfangen sollen.«
Will Mallmann sagte, wir sollten uns in Königstein im Hotel »Taunusblick« einquartieren. Königstein lag ziemlich neutral in der Mitte des Bereiches, in dem sich die tödlichen Unfälle ereignet hatten.
Von den Geisterfahrern lebte keiner mehr. Der erste war gegen einen Autobahn-Brückenpfeiler geprallt. Der zweite kollidierte mit zwei entgegenkommenden Wagen, was außer seinem Leben ein weiteres und einen Schwer- und einen Leichtverletzten gefordert hatte.
Ich stimmte Will Mallmann zu. Wir tranken unseren Kaffee aus, nahmen das Gepäck und zahlten an der Kasse. In der großen Terminalhalle herrschte ein Gewimmel. Lautsprecherdurchsagen erschollen. Menschen aller Nationen und Rassen drängten sich hier.
An der großen schwarzen Flugtafel blinkten die Lichter der Maschinen, die gerade gelandet waren oder in Kürze landen würden. Ein beleibte Frau, die in ihren Shorts steckte wie die Wurst in der Pelle, hätte uns mit dem Gepäckkarren beinahe umgefahren.
»Passen Sie doch auf!« zischte sie uns zu.
Will Mallmann hatte seinen silbergrauen Opel Manta in der Fünf-Minuten-Parkzone stehen. Ein Strafmandat steckte bereits unterm Scheibenwischer.
Wir verstauten den Koffer und die Reisetasche im Kofferraum, meinen
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