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0063 - Der Hüter des Bösen

0063 - Der Hüter des Bösen

Titel: 0063 - Der Hüter des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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möglich halten sollte.«
    »Wieso nicht?«
    »Haben Sie jemals gehört, dass es einem Strafgefangenen gelungen ist, die Gitterstäbe vor seinem Zellenfenster mit den Händen aus ihrer Verankerung zu reißen? Montpellier hat es geschafft. Seine Zelle lag im vierten Stock des Untersuchungsgefängnisses, beträchtlich hoch also. Dennoch ist er aus dem Fenster gesprungen und hat anschließend seine Flucht über eine mehr als zehn Meter hohe Mauer fortgesetzt. Noch nie ist es einem Häftling geglückt, diese Mauer zu überwinden.«
    »Hilfe von außen?«, vermutete Zamorra. »Montpellier ist ein reicher Mann. Er hätte sich Fluchthelfer kaufen können.«
    Der Präfekt schüttelte den Kopf. »Hilfe von außen scheidet aus. Aber es gibt eine andere Erklärung. Wir haben Kratzspuren an der Mauer gefunden, wie sie etwa die Tatzen eines großen Raubtiers hinterlassen.«
    »Sagten Sie nicht am Telefon, dass er nach der Tat wieder wie ein ganz normaler Mensch aussah?«
    »Das sagte ich. Nach der Tat, bei den Verhören, während seines Aufenthalts im Gefängnis war er ein Mensch wie Sie und ich. Und dann plötzlich… Er muss sich wieder verwandelt haben. Jede andere Möglichkeit scheidet eigentlich aus.«
    Zamorra merkte, dass ihn der Fall mehr und mehr interessierte. Es sah tatsächlich so aus, als ob hier übersinnliche Phänomene mit im Spiel waren. Und diese faszinierten ihn, nicht nur aus beruflichen Gründen, seit eh und je.
    »Sie sagten etwas von Foto- und Tonbandaufnahmen, die Ihre Leute gemacht haben, Monsieur Lepine. Wäre es möglich…«
    Der Präfekt schob seinen Sessel zurück und stand auf. »Selbstverständlich, Professor. Die Unterlagen befinden sich alle im Büro des Kommissars, der den Fall bearbeitet. Der Einfachheit halber sollten wir vielleicht hinuntergehen.«
    Auch Zamorra erhob sich. Wenig später betraten die beiden Männer das Arbeitszimmer Kommissars Laroches. Dieses hielt ausstattungs- und größenmäßig keinen Vergleich mit dem Repräsentationsraum des Präfekten aus. Nüchternheit und Sachlichkeit bestimmten das Bild. Und Kommissar Laroche, ein im Dienst vorzeitig ergrauter Mann, passte genau in diesen Rahmen. Er bot seinem höchsten Vorgesetzten und dem Professor zwei karge Holzstühle an und nahm selbst wieder hinter seinem mit Schriftstücken übersäten Schreibtisch Platz.
    Laroche war sehr unglücklich mit dem Fall Montpellier, obgleich dieser auf den ersten Blick ganz sonnenklar aussah. Es gab einen Mörder, der zwar nicht geständig war, andererseits die Tat aber auch nicht bestritt. Es gab ein Opfer, und es gab Zeugen. Alles andere jedoch, Motiv, Umstände des Tathergangs, das Ergebnis der polizeilichen Untersuchung, gab nichts als Rätsel auf.
    Der Kommissar überreichte Zamorra zwei Bilder. Das eine war unmittelbar nach dem Mord gemacht worden, das andere ein paar Tage später. Der Unterschied im Aussehen Montpelliers, eines mittelgroßen, ein bisschen beleibten Mannes mit grauen Schläfen und einem intelligenten Gesicht, war beträchtlich. Auf dem ersten Foto sah Montpellier entsetzlich aus. Blutüberströmt, die Kleidung total zerfetzt, furchtbare, tiefe Wunden überall am Körper. Man hatte wirklich den Eindruck, als sei er der Zerfleischung durch einen riesigen Geier soeben knapp entgangen. Die zweite Aufnahme zeigte von den mörderischen Verletzungen kaum noch etwas. Ein paar Pflaster, das war schon alles.
    »Diese Aufnahme wurde nur wenige Tage später gemacht?«, wunderte sich der Professor.
    »Ja! Ein wahrhaft erstaunlicher Heilungsprozess, nicht wahr?«
    »Das kann man wohl sagen«, stimmte Zamorra zu. »Sie haben Tonbandprotokolle von den Aussagen Montpelliers und der Zeugen, Monsieur Laroche?«
    Der Kommissar nickte. »Ich habe Montpellier mehreren Verhören unterzogen. Mehr oder weniger sind sie alle gleich verlaufen. Am besten ist es, ich spiele Ihnen ein paar typische Auszüge vor.« Er öffnete eine Schreibtischschublade, holte ein Tonbandgerät hervor und schaltete es ein.
    »Meine Stimme kennen Sie ja«, sagte er. »Die andere, das ist Montpellier.«
    Zamorra lehnte sich zurück und lauschte. Die Tonbandstimmen erklangen.
    Laroche: »… noch einmal von vorne Monsieur Montpellier. Was wollten Sie in der Villa von Monsieur Martin?«
    Montpellier: »Das habe ich Ihnen doch schon mehrmals gesagt, Kommissar. Ich kann mich nicht erinnern. Vermutlich wollte ich mit ihm ein geschäftliches Problem besprechen. Sie wissen, dass Martin und ich gemeinsam…«
    Laroche: »… eine

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