0063 - Der Hüter des Bösen
Industriefirma betreiben. Damit sagen Sie mir nichts Neues, Monsieur Montpellier. Aber es ist doch wohl üblich, dass man geschäftliche Angelegenheiten im Geschäft bespricht. Oder meinen Sie nicht?«
Montpellier: »Grundsätzlich schon. Allerdings…«
Laroche: »Allerdings?«
Montpellier: »Ich bin in den letzten Tagen nicht in der Firma gewesen.«
Laroche: »Warum nicht? Waren Sie krank?«
Montpellier: »Nein, so kann man es eigentlich nicht nennen. Obgleich… Ich hatte eine so starke Antipathie gegen Martin entwickelt, dass man vielleicht doch von einer Krankheit sprechen kann. Eine Art Allergie sozusagen. Mein Blut geriet sofort in Wallung, wenn ich nur an ihn dachte.«
Laroche: »Und deshalb haben Sie ihn umgebracht?«
Montpellier: »Wie gesagt, ich weiß es nicht. Jetzt, in der Retrospektive, erscheint mir meine Abneigung gegen ihn immer unverständlicher. Ich hatte nie etwas gegen ihn.«
Laroche: »Eben! Dies wird von allen Leuten, die Sie kannten, voll und ganz bestätigt. Sie waren das, was man gemeinhin als ein Herz und eine Seele bezeichnet; beruflich und privat. Nicht zuletzt auf diese Tatsache führt man die großen Erfolge der Montpellier & Martin S.A. zurück. Sie hatten nicht den geringsten Grund, ihn zu töten. Und dennoch haben Sie es getan. Mein Gott, Monsieur Montpellier, versuchen Sie doch, sich an den Abend zu erinnern.«
Montpellier: »Ich habe es versucht, aber ich kann mich beim besten Willen nicht entsinnen. Tut mir leid, Kommissar.«
Laroche schaltete das Gerät ab. »Und so weiter, und so fort«, sagte er. »Immer im Kreis herum. Genauso war es, wenn ich ihn auf seinen Kampf mit Pierre Martin ansprach. Er konnte sich an nichts erinnern. Dass er wie ein Tiger ausgesehen haben soll, wollte er überhaupt nicht glauben. Und doch muss es so gewesen sein. Hören wir uns doch mal die Aussage des Hausdieners an.«
Er ließ das Band ein Stück weiterlaufen. Dann wurde die nervöse Stimme eines älteren Mannes hörbar.
»… sprang plötzlich Monsieur Montpellier vom Balkon. Er sah ganz verändert aus, kaum zu erkennen. Wie so ‘ne Figur aus ‘nem Horrorfilm. Frankenstein und so. Nee, das kommt auch nicht richtig hin. Frankenstein, das ist ja ein zusammengebastelter Mensch. Monsieur Montpellier wirkte aber gar nicht wie’n Mensch. Eher wie’n wilder Tiger aus ‘nem Afrikafilm, wenn Sie wissen was ich meine. Und der Chef … na ja, der war auch gar nicht er selbst. Schon wie er auf die Haustür zukam, merkte ich, dass was nicht mit ihm stimmte. Sein Gesicht … Sie können mich ja für verrückt halten, wenn Sie wollen. Aber es stimmt trotzdem. Er sah aus wie’n Vogel. Mit ‘nem richtigen Schnabel – scharf und gebogen. Und seine Augen … Ich kann Ihnen sagen, mir wurde ganz anders. Geleuchtet haben sie wie Kristallkugeln im Sonnenlicht. Und dann, ja, dann ging’s los. Plötzlich gingen sie sich an die Wäsche. Gekreischt und gebrüllt haben sie. Und sich auf dem Boden rumgewälzt wie ‘n paar Ringkämpfer, die man mit Pfeffer eingerieben hat. Hat nicht lange gedauert, dann war alles vorbei. Und beide sahen wieder ganz normal aus. Sie bluteten zwar wie Schlachtvieh, aber sonst … Der Chef war allerdings tot. Sah aus, als wenn ihn Monsieur Montpellier erwürgt hätte. Ja, mehr kann ich eigentlich nicht sagen. Monsieur Montpellier war ganz geknickt, und wir haben dann die Polizei angerufen. Und die ist ja dann auch gleich gekommen.«
Anschließend ließ Laroche noch den Chauffeur Martins zu Wort kommen. Seine Aussage war der des Dieners ähnlich. Er fügte nur noch hinzu, dass Pierre Martin während der Autofahrt ziemlich hektisch gewesen war. Er hatte es unheimlich eilig gehabt, nach Hause zu kommen. Während der ganzen Fahrt hatte der Chauffeur das Gefühl gehabt, dass außer seinem Chef noch ein dritter unsichtbarer Fahrgast mit im Wagen saß.
Der Kommissar ließ das Tonbandgerät wieder in der Schreibtischschublade verschwinden. Geistesabwesend sah ihm Zamorra dabei zu. In seinem Kopf arbeitete es. Eine vage Theorie formte sich. Waren Martin und Montpellier vielleicht von Dämonen besessen gewesen? Er hatte einschlägige Erfahrungen mit diesen Abgesandten der Hölle, und manches von dem Gehörten war ihm vertraut erschienen. Zu dumm, dass er nicht in der Lage war, selbst mit Henry Montpellier zu sprechen. Mit Hilfe seines zauberträchtigen Amuletts, das auf böse Mächte ansprach wie ein Geigerzähler, hätte er vielleicht in dieser Richtung einige Feststellungen machen
Weitere Kostenlose Bücher