0064 - Die Mühle der Toten
Zamorra. »Daimonion Adonis. Ich beschwöre dich, beim Herrn der Finsternis und bei dem des Lichtes, hör auf mit deinem Höllenspuk. Hör auf und laß uns gehen.«
Es zischte wie ein ganzes Schlangennest.
»Na gut«, sagte dann die haßerfüllte Stimme des Dämons. »Geht doch, wenn ihr könnt.«
Krachend brach die Wendeltreppe zusammen. Staub wolkte aus dem morschen Holz auf. Es wurde wieder so hell, wie es zuvor in dem Flur gewesen war, als er sich gesenkt hatte. Raoul Morgand saß am Boden, massierte seinen Hals und fluchte.
»Zamorra, verdammt, was haben Sie getan? Hätten Sie mich gewähren lassen, dann gäbe es den Dämon jetzt nicht mehr.«
***
Raoul Morgand beharrte darauf, daß seine Pistole mit geweihten Silberkugeln geladen gewesen wäre. Niemand beachtete ihn. Ein so mächtiger Dämon wie Beau Gunod war mit ein paar Silberkugeln kaum zu vernichten.
Und wenn, dann würde er sich nicht ausgerechnet im Schußfeld zeigen.
Zamorra trat zu der eingestürzten Treppe. Mehr als vier Meter tief ging es nach unten. Das wäre keine besondere Höhe gewesen, aber man mußte damit rechnen, daß der Dämon unten eine Falle gebaut hatte.
Bill Fleming schaute aus dem engen Flurfenster.
»Nach draußen ist es genauso tief«, sagte er. »Und da gibt es nur die glatte Wand.«
»Wir könnten uns am eisernen Handlauf nach unten hangeln«, sagte Zamorra. »Aber das erscheint mir auch noch riskant. Also machen wir es anders. Bill, du ziehst deine Jacke aus, ich hänge mich daran und dann erreiche ich mit den Füßen fast den Boden.«
So geschah es. Bill Fleming und Raoul Morgand, letzterer knurrend und brummig, hielten den Ärmel von Bills brauner Lederjacke, einem stabilen, handgearbeiteten Stück. Zamorra hängte sich an die Bodenkante und hangelte an der Jacke hinunter.
Die Nähte knackten, aber sie hielten. Zamorras Beine befanden sich noch einen knappen Meter über dem Boden. Er hielt sich mit einer Hand fest und ließ mit der andern das Amulett pendeln.
»Wie lange willst du denn noch da hängen?« ächzte Bill Fleming.
»Mir zieht es die Arme aus den Gelenken.«
Von oben sah der Boden, der mit Trümmern der morschen Treppe übersät war, so aus, als sei er fest. Aber als er an dem Amulett vorbeiblickte, sah Zamorra etwas anderes. Er nahm es verzerrt wahr, so als schaue er durch bewegtes Wasser auf den Grund.
Er sah ein dunkles, viereckiges Loch und scharfe Spitzen, die in ihm aufragten. Zamorra, der das Amulett am Handgelenk hängen hatte, schwang nun hin und her. Eine Naht riß krachend aus.
Zamorra ließ los und katapultierte sich über das Loch hinweg. Er landete auf dem mit Holztrümmern übersäten Boden, kam zu Fall und raffte sich gleich wieder auf. Als er die Ränder des Lochs mit seinem magischen Amulett berührte, sahen es auch die andern von oben.
Unter der Wendeltreppe hatte sich eine Fallgrube mit nach oben gerichteten Eisenspitzen befunden. Wäre Zamorra einfach hinuntergesprungen, hätte er sich selbst aufgespießt. Die Fallgrube maß zwei Meter im Quadrat.
»Hängt euch oben an die Bodenkante und springt über das Loch weg«, sagte Professor Zamorra. »Es wird Zeit, daß wir hier rauskommen. Beau Gunod ist für eine Zeitlang gebannt, aber das dauert nicht an.«
Nicole versuchte es zuerst. Wer dieses bildhübsche Mädchen für ein Modepüppchen hielt, das nichts leisten konnte, der irrte schwer.
Nicole war so zäh und kräftig wie eine Wildkatze. Ihren hübschen Körperformen sah man es nicht an, daß sich darunter durchtrainierte Muskeln und Sehnen verbargen.
Nicole hielt sich an der Kante fest und ließ sich hin und her pendeln, genau über der Fallgrube. Als sie genug Schwung hatte, ließ sie los, und landete neben Zamorra. Er fing sie auf, damit sie nicht hinfiel.
»Geschafft«, sagte er.
Nicole blieb einen Moment länger in Zamorras Armen, als nötig gewesen wäre. Zamorra roch den Duft von Nicoles Lockenhaar. Ihre braunen Augen, in denen manchmal tausend Pünktchen blitzten, strahlten ihn an.
Zamorra räusperte sich.
»Jetzt du, Bill«, sagte er und ließ Nicole los.
Professor Zamorra und seine bildhübsche Sekretärin Nicole Duval verband längst mehr als die gemeinsame Arbeit.
Auch Bill Fleming und Raoul Morgand schafften es, der Fallgrube zu entgehen. Sie beeilten sich, die Geistermühle zu verlassen. Zamorra wußte, daß er keinesfalls einen Sieg errungen hatte, sondern nur ein knappes Unentschieden.
Der Dämon hatte es nicht fertiggebracht, ihn und seine Gefährten
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