0074 - Ich flog in die Hölle
mehr oder weniger schiefen Häuser, lehnten Gestalten. Man sah ihre zerknitterten weißen Anzüge, aber nicht ihre dunklen Gesichter. Nur manchmal beim Aufzucken des Neonlichtes blitzte das Weiße in den Augen, und ich wusste, dass alle Augen auf uns gerichtet waren. Hin und wieder hörte man das harte Aufschlagen der Absätze von Frauenschuhen. Ein Armband klirrte. Eine Federboa wehte an uns vorbei und eine Wolke scharfen Parfüms schlug uns ins Gesicht.
»Mister!«,lispelte es. »Mister!«
»Um Himmels willen, lass uns gehen«, sagte Phil, »damit es so aussieht, als wüssten wir, wohin wir gehören.«
Wir steuerten deji Eingang unter der defekten Leuchtschrift an. Als wir die Tür auf stießen, sahen wir einen langen, völlig dunklen Flur, an dessen Ende ein schummeriges rotes Licht leuchtete.
Das rote Licht entpuppte sich als der Eingang zur eigentlichen Bar. Hier 12 führten einige Stufen nach unten in einen mittelgroßen, runden Raum, in dem zwei Dutzend Tische längs der Wände verteilt waren, sodass eine große Tanzfläche blieb. Mitten auf der Tanzfläche saß ein Gitarrenspieler, zupfte an seinem Instrument, und um ihn herum schob sich eine Reihe von Paaren in einem dieser komplizierten südamerikanischen Tänze, die ein Mann, dessen Ohr an Jazz und Jitterbug und Boogie gewöhnt ist, nie kapieren wird.
Reden wir nicht davon, wie die Paare aussahen. Die Frauen trugen Farbe genug auf sich, um ein großes Kinoplakat damit herzustellen, und was sie an billigem Schmuckkram an sich gehängt hatten, so hätte man damit ein Zirkuspferd aufzäumen können.
Die Männer zeigten Gesichter, als stammten sie samt und sonders in direkter Linie von Cortez oder Pizarro oder sonst einem der Conquistadoren ab, die vor rund vierhundert Jahren Amerika unterworfen haben. Und dass manche von ihnen Negerlippen besaßen oder Chinesenschlitzaugen, machte nichts. Sie waren stolz auf sich und das genügte.
Und doch war an diesen Männern in der Bar Noches d’Amazonas irgendetwas, was sie von den Brasilianern unterschied, die mir bisher über den Weg gelaufen waren, Die Männer hier waren leise. Sie blieben still, obwohl sie ihre Girls bei sich hatten und mit ihnen tanzten. Sie benahmen sich auf eine vertrackte Weise würdevoll. Ich bemerkte, dass ihre Augen schräg zu uns hinüberblitzten, als wir ankamen, aber keiner von ihnen drehte den Kopf, und sie tanzten weiter, als hätten sie uns nicht bemerkt.
Hinter mir pfiff Phil leise durch die Zähne. Er spürte die seltsame Atmosphäre in diesem Lokal so gut wie ich.
Wir suchten uns einen Tisch, der unbesetzt schien, denn es standen keine Gläser darauf.
Aus dem Hintergrund tauchte lautlos ein Kellner auf. Er trug eine weiße Jacke.
»Senhores?«, fragte er.
»Glinkas! Zwei!«, antwortete ich und hielt zwei Finger hoch.
Er verschwand nach rechts durch eine Tür. Nirgendwo war eine Theke oder ein Flaschenregal zu sehen, aber wahrscheinlich befand sich hinter der Tür so etwas, denn unser Kellner erschien nach wenigen Augenblicken mit zwei Gläsern, gefüllt mit dieser widerlichen gelben Flüssigkeit, die Glinka heißt, und von der wir heute Abend schon übergenug gesehen hatten.
»Merkwürdiger Laden«, brummte Phil leise. »Was hältst du von den Burschen auf der Tanzfläche?«
»Dunkle Herren, nicht nur der Hautfarbe nach«, antwortete ich leise.
Phil nippte an seinem Glas und goss dann den Inhalt blitzschnell in eine Vase auf dem Tisch, in der eine einsame Blume welkte.
Plötzlich war der Kellner wieder da.
»Glinka nicht gut?«, fragte er.
»Wieso?«, erkundigte sich Phil verwirrt.
Der Kellner zeigte stumm auf die Blumenvase. Ich goss mein Zeug mit Todesverachtung hinunter.
»Bringen Sie noch einen!«, befahl ich. »Aber für mich einen Amato. Verstanden?«
Er nickte. Zwei Minuten später stand das Gewünschte auf unserem Tisch. Die Vase hatte der Kerl mitgenommen. Phil fluchte leise vor sich hin.
Die Paare drehten sich weiterhin auf der Tanzfläche. Die Gitarre zirpte ununterbrochen die gleiche Melodienfolge, und der Fuß des Gitarristen klopfte immer weiter den gleichen seltsamen Rhythmus.
»Hören sie nie auf zu tanzen?«, fragte Phil. »Es macht geradezu nervös, wenn man sie mit ihren feierlichen Gesichtern immer wieder die gleichen Figuren wiederholen sieht.«
»Kümmere dich nicht darum! Noch einen Amato, und dann können wir die Rechnung verlangen. Den Amato trinkst du. Du bist einen Glinka kürzer als ich.«
Er blitzte mich von der Seite an. »So
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