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0084 - Schreie in der Hexengruft

0084 - Schreie in der Hexengruft

Titel: 0084 - Schreie in der Hexengruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Saupe
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Stimme, die der alten Baba gehörte. »Steh auf und folge uns. Wir müssen mit dir reden.«
    Mechanisch stand Marja auf, mechanisch wischte sie den Sand ab, der sich auf ihrem Sommerkleid abgesetzt hatte.
    Dann spürte sie eine knochige Hand in ihrem Rücken. Sie wurde nach vorn gestoßen, auf den fremdartigen Flugkörper zu.
    Dann stand sie vor dem seltsamen Ungetüm.
    Und wußte, wem sie begegnet war.
    Die Beschreibung der Gestalten, deren Gesichter sie im Schein der Innenbeleuchtung erkennen konnte, kannte jeder, der in den Karpaten wohnte.
    Marja fuhr herum, sah auf die älteste der fremden Frauen.
    »Du bist die Hexe Baba!« rief Marja erschreckt.
    »Wie recht du hast, mein Kindchen!« kam Babas Stimme an die Ohren des Mädchens.
    »Und was wollt ihr von mir?« fragte das Mädchen ängstlich.
    »Du erzählst doch deinen Kindern in der Schule immer, daß es keine Hexen gibt, nicht wahr? Also sind wir gekommen, um dir das Gegenteil zu beweisen.«
    »Laßt den Unsinn, Baba!« schrie Marja der Alten mit einem Rest von Mut entgegen. »Sagt mir, was ihr wirklich von mir wollt!«
    »Das sagen wir dir unterwegs«, gab die alte Baba zur Antwort.
    »Los, Mihaila, Andra! Packt sie und bringt sie in die Kapsel!«
    Vier unbarmherzige Knochenhände griffen nach dem Mädchen, zerrten es zu dem Flugkörper, rissen es in die Höhe, setzten es in eine Art von Kabine.
    »Ab damit!« rief die Baba, erfreut über den gelungenen Überfall.
    »Du wirst jetzt steuern, Jadwiga. Du weißt, wohin wir fliegen.«
    ***
    Die Hexe Jadwiga wußte Bescheid. Es gab nur ein Versteck, das niemand kannte. Auf das man nicht so schnell kommen würde.
    Es war abgemachte Sache, daß man die gefangenen Opfer jeweils in den alten Stollen des nicht mehr benutzten Bergwerks brachte.
    Dort gab es genügend Verstecke. Und genügend Zeit. Man würde die Mädchen zwingen. Man konnte sie langsam weich machen. Man konnte sie notfalls sogar erpressen. Und töten, falls Gefahr nahen sollte.
    Die Dunkelheit der einsetzenden Nacht ließ die Umrisse der Stadt unter ihnen verschwimmen. Marja Bendic erkannte nur Dom und Marktplatz. Dann ging der Flug in nördlicher Richtung. Mehr wußte sie nicht.
    Sie wurde, wie zuvor Idrina, in den Schacht gebracht. Sie stieg hinunter, ahnungslos, wo sie sich befand.
    »Was wollt ihr?« fragte sie wieder.
    »Du wirst die Verlobung mit Roslan Baraya lösen«, sagte Mihaila.
    »Ihr seid verrückt!« rief die junge Lehrerin aus.
    »Im Gegenteil. Wenn du nicht tust, was wir verlangen, wirst du verrückt werden, Marja. Weil du diesen hübschen Saft hier trinken wirst.«
    ***
    Idrina Matilec konnte das Gespräch zwischen Marja und den Hexen in ihrem Verlies gut hören. Sie wußte, was auf das andere Mädchen wartete. Fieberhaft überlegte sie, wie sie ihre Leidensgenossin warnen könnte.
    Dann faßte sie Mut. Wenn sie diesen Hexen schon ausgeliefert waren, mußten sie es ihnen so schwer wie möglich machen.
    Sie schätzte, daß die Hexen das Mädchen in ein benachbartes Verlies bringen würden. Sie konnten keine zehn Meter von ihrem eigenen Versteck entfernt sein.
    Idrina hatte den Vornamen der anderen gehört.
    Das Mädchen hieß Marja.
    »Marja!« rief sie in den Gang hinaus. »Sie haben mich gefangen und mich gezwungen, von dem Gift zu trinken. Du darfst es nicht hinunterschlucken, hörst du?«
    Einen Augenblick war Stille.
    »Wer bist du?« fragte das andere Mädchen. Aber gleich darauf hörte Idrina, wie die Hexen Marja umringten. Bestimmt hielten sie ihr den Mund zu, damit sie nicht antworten konnte.
    Aber Marja konnte hören, was Idrina ihr weiterhin zurief.
    »Wenn du den Saft schluckst, werden deine Gedanken getötet. Deine Erinnerung läßt nach. Spucke den Saft aus, wenn du kannst. Ich muß dich warnen, und du mußt mir glauben, Marja. Ich bin eine Gefangene wie du.«
    Marja erfaßte ihre Lage in Bruchteilen von Sekunden. Sie erkannte die Notlage der anderen. Die Hexen mußten sie aus einem ähnlichen Grund gefangen halten wie sie selbst. Man würde sie zwingen, ihren Verlobten aufzugeben. Wenn sie es nicht freiwillig tat, würden die Hexen es mit Hilfe des vergifteten Saftes tun.
    Marja schaltete schnell. Sie konnte sich kaum zur Wehr setzen.
    Aber sie faßte einen Plan.
    Und sie führte ihn durch.
    »Ich werde Roslan niemals aufgeben«, sagte sie zur Hexe Mihaila, die mit der Giftflasche in der Hand neben ihr stand.
    Sofort traf ein, was sie erwartet hatte.
    Mihaila kam dicht auf sie zu, hielt ihr die Flasche hin.
    »Trink!«

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