0085 - Der Feuergötze
zur Fußmatte des Beifahrersitzes hinab, wo die Pistole lag.
Der Professor ließ ihm keine Chance. Sein Fuß löste sich von den Pedalen und zuckte zur Seite. Mit der Schuhspitze traf er den Tunesier am Ellenbogen. Dessen Hand wurde zurückgeschleudert, bevor sie die Waffe packen konnte. Gleichzeitig ließ Zamorra wieder die Fäuste fliegen. Zwei harte Geraden warfen den Burschen gegen die Tür. Die Tür flog auf, und der Orientale verließ den Citroën in horizontaler Lage.
Da hörte Zamorra hinter sich ein metallisches Knacken. Eine Waffe war entsichert worden. Der zweite Tunesier besaß ebenfalls einen Schießprügel.
Gedankenschnell ging der Professor auf Tauchstation. Keinen Sekundenbruchteil zu früh. Ein Schuß krachte. Klatschend schlug die Kugel in die Sonnenschutzblende.
Zamorra griff nach der 32er auf der Fußmatte, riß sie hoch.
Er sah den anderen nicht, hörte ihn aber, als er die Fondtür öffnete und nach draußen sprang.
Vorsichtig hob er den Kopf, zog ihn jedoch sofort wieder ein. Ein erneuter Schuß peitschte auf und zerschmetterte das Seitenfenster. Ein Splitterregen brach über den Professor herein.
Sekunden später wagte er sich erneut hoch. Es fiel kein weiterer Schuß. Zamorra richtete sich ganz auf. Er sah gerade noch, wie die beiden Tunesier in einem Waldstück verschwanden, das wenige Meter neben dem Randstreifen begann.
Er verzichtete darauf, den Fliehenden eine Kugel hinterherzujagen. Das Ziel war bereits zu unsicher geworden. Außerdem widerstrebte es ihm, jemandem in den Rücken zu schießen, auch wenn es sich um rücksichtslose Gewaltmenschen handelte.
Gedankenvoll ließ er die Automatic niedersinken.
Was waren das für Männer gewesen und was hatten sie von ihm gewollt? Straßenräuber moderner Prägung?
Diese Möglichkeit konnte er gleich ausschließen. Kein Zweifel, daß sie ihn gekannt hatten, daß sie ganz genau gewußt hatten, wer er war.
›Ganz ruhig weiterfahren, Professor‹, hatte der eine sagen wollen. Daraus konnte er nur schließen, daß sie ihm ganz bewußt aufgelauert hatten.
Aber warum?
Er wußte es nicht. Und ihm war auch klar, daß er ohne weitere Anhaltspunkte nicht hinter des Rätsels Lösung kommen würde.
Achselzuckend löste er die noch im Seitenfenster verbliebenen Glasscherben und entfernte die Splitter aus dem Wagen. Dann setzte er sich wieder ans Steuer und fuhr weiter.
In Bellechantal informierte er den Gendarmerieposten über den Vorfall. Zusammen mit zwei Flics kehrte er zum Wagen der beiden Tunesier zurück. Die Orientalen ließen sich nicht mehr blicken, gaben ihren Wagen offenbar verloren.
Ein großer Verlust war dies allerdings für sie nicht. Nachforschungen der Polizei ergaben, daß es sich um einen in Marseille gemieteten Leihwagen handelte. Als Mieter hatte ein Ben Salah aus Algier fungiert, ein Name, der mit Sicherheit genau so falsch war wie die Adresse.
Mit einem dummen Gefühl setzte der Professor seine Fahrt nach Paris fort.
Er ahnte, daß er die beiden jungen Männer aus Tunesien nicht zum letzten Mal in seinem Leben gesehen hatte.
***
Nicole Duval ärgerte sich, daß es nicht möglich gewesen war, mit nach Paris zu fahren. Diese dumme Erkältung hatte ihr einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Seit Tagen hatte sie sich darauf gefreut, in ein paar schicken Boutiquen bummeln gehen zu können. Und nun hockte sie hier im Schloß, nahm Pillen und Säfte und blies Trübsal.
Mit einem dicken Wollschal um den Hals saß sie vor dem Kamin und versuchte, sich durch die Lektüre eines Buchs abzulenken.
Das Buch war ein Horrorroman und hieß »Der Blutgraf von Château Merle«. Das Werk trug nicht dazu bei, ihre Stimmung zu heben, denn es war schauderhaft. Der Autor hatte überhaupt keine Ahnung. Die Schrecken, die er Seite um Seite anhäufte, waren lächerlich und einfallslos. Sie hielten keinen Vergleich mit der Wirklichkeit aus, die um ein Vielfaches schrecklicher war.
Nicole als Sekretärin und Freundin des berühmten Dämonenjägers Professor Zamorra mußte es wissen. Sie war bei vielen seiner haarsträubenden Abenteuer dabeigewesen und kannte sich aus. Weitaus besser als der Autor dieses todlangweiligen Schmökers.
Angewidert warf sie den Blutgrafen in den Kamin, wo die Seiten des Buches sofort Feuer fingen und sich kräuselnd verbrannten.
Dem Autor wäre ein gleiches Schicksal zu gönnen, dachte sie erbittert.
Nicole überlegte gerade, was sie nun tun sollte, als in der Halle die Türglocke anschlug.
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