0085 - Der Feuergötze
Männer standen neben dem Fahrzeug und machten heftig winkende Handbewegungen.
Zamorra war ein hilfsbereiter Mensch. Sicher hatte das Fahrzeug dort vorne einen Defekt. Es war gar keine Frage für ihn, daß er anhalten würde, um den beiden Männern bei ihren Problemen behilflich zu sein.
Er bremste den Citroën ab und brachte ihn wenige Meter vor den Winkenden zum Stehen. Er stellte den Motor ab, stieg aus und ging den Männern entgegen.
Sie waren noch jung, diese beiden, und es waren ganz offensichtlich keine Franzosen. Ihre scharfgeschnittenen, gebräunten Gesichter mit den dünn ausrasierten Oberlippenbärtchen ließen auf Orientalen schließen. Levantiner oder Nordafrikaner vielleicht.
»Geht's nicht weiter?« fragte der Professor freundlich.
Der eine nickte.
»Plötzlich kam Dampf unter der Haube hervor, und der Temperaturanzeiger für das Kühlwasser geriet in den Rotbereich.«
Der Mann hatte in akzentfreiem Französisch gesprochen. Er lächelte etwas hilflos.
»Wir verstehen leider beide gar nichts von Autos«, fuhr er fort, »und da haben wir gedacht…«
Zamorra lächelte zurück. Die Jugend von heute… Autofahren wie die Rennasse, aber keine Ahnung vom Funktionieren eines Motors.
»Machen Sie mal die Haube auf«, forderte er die Jünglinge auf.
»Sofort, Monsieur.«
Der zweite junge Mann stieg in den Wagen - es war ein Peugeot - und entriegelte die Motorhaube. Der Professor hob sie hoch und arretierte sie. Dann beugte er sich über den Motor.
Der Block hatte sich bereits abgekühlt. Dennoch sah er sofort, was los war. Der Keilriemen war glatt gerissen, wie mit einer Schere durchgetrennt. Zamorra wollte sich gerade weiter vorbeugen, um das Band an sich zu nehmen, als er, mehr instinktiv, eine Bewegung in seinem Rücken wahrnahm. Eine Hand, die sich wie zum Schlag erhoben hatte.
Blitzschnell zog er den Kopf zurück und richtete sich auf.
Der eine junge Mann stand neben ihm, stützte sich mit der Rechten gegen die hochgeklappte Haube.
Zamorra runzelte leicht die Stirn. Hatte er sich geirrt? Der Jüngling machte eigentlich gar nicht den Eindruck, als hätte er gerade beabsichtigt, ihm einen Hieb auf den Hinterkopf zu versetzen. Und warum sollte er auch? Wer schlug schon nach einem Helfer bei einer Autopanne?
Er nannte sich selbst einen Narren. Das gefährliche Leben, das er zu führen pflegte, ließ ihn schon Gefahren sehen, die gar nicht existierten.
»Haben Sie etwas feststellen können, Monsieur?« fragte der Orientale mit einer Stimme, die sich vollkommen normal und ruhig anhörte.
»Ja«, sagte der Professor, »der Keilriemen ist gerissen. Haben Sie einen Ersatz bei sich?«
»Keilriemen? Ich weiß nicht…«
Der junge Mann wandte sich ab und steckte den Kopf in den Wagen, in dem sein Freund noch auf dem Fahrersitz saß. In fragendem Tonfall stieß er ein paar Worte aus. Nicht in Französisch, sondern in einer gutturalen Sprache. Zamorra kannte diese Sprache. Arabisch, einer jener Dialekte des Arabischen, die man in Tunesien sprach. Und die Frage, die er gestellt hatte, war so natürlich gewesen wie nur etwas: ›Haben wir so was wie einen Keilriemen, Djamaa?‹
»Nein«, antwortete der andere ebenso natürlich.
Das leise Mißtrauen, das noch immer in Zamorra gebohrt hatte, verflog augenblicklich. Die beiden Jünglinge konnten nicht wissen, daß er Arabisch verstand. Wenn sie Böses im Schilde führten, hätten sie sich jetzt ganz bestimmt nicht über Keilriemen unterhalten.
Der junge Mann, den er verdächtigt hatte, ihn auf den Hinterkopf schlagen zu wollen, stellte sich wieder gerade hin.
»Leider nein, Monsieur«, sagte er, »wir haben keinen Keilriemen dabei.«
»Hm«, machte der Professor.
Und wieder durchzuckte ihn das Mißtrauen. Der Orientale hatte seine rechte Hand unter die Jacke geschoben, ließ sie zur Achselhöhle wandern. Zamorra erkannte, daß sich der Anzugstoff dort auffällig beulte.
Ein Revolver in einem Schulterholster? fragte er sich.
Als habe der junge Mann seine Gedanken erraten, zog er die Hand wieder vor. Leer…
»Monsieur, würde es Ihnen etwas ausmachen, uns ein Stück mitzunehmen? Bis zur nächsten Reparaturwerkstätte vielleicht?«
Ganz arglos kam diese Bitte. Und ganz arglos sah er aus, dieser junge Orientale. Der Professor wollte ihn fragen, was es war, was seine Achselhöhle bauschte dort unter der Jacke. Aber er tat es dann doch nicht.
Das war ja lächerlich! Selbst wenn der Mann dort einen Revolver trug, was ging es ihn an? Besaß er nicht
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