009 - Der Engel von Inveraray
Künstlers zu sichern, was ihm wiederum die Zeit und die Mittel verschafft, weitere bedeutende Werke zu malen. Ich kann Ihnen versichern, Mr. Blake, dass ich nur Monsieur Boulonnais' Wohlergehen im Kopf habe, wenn ich der Meinung bin, dass es vielleicht ein wenig voreilig von uns wäre, uns auf eine Ausstellung in Inveraray zu beschränken. Bei genauerer Überlegung erscheint mir Glasgow als Ausstellungsort wesentlich geeigneter. Wenn Sie einverstanden sind, wäre es mir eine Freude, sie auszurichten."
Haydon schaute ihn zweifelnd an. „Glauben Sie wirklich, das wäre besser?"
„Auf jeden Fall. Ein Künstler dieses Kalibers sollte in einer kulturell und wirtschaftlich bedeutenden Stadt in die schottische Kunstwelt eingeführt werden. Glasgow eignet sich viel besser für seine erste Ausstellung. Wollen wir bereits ein Datum ins Auge fassen ... sagen wir, in acht Monaten?"
Haydon dachte an die bevorstehende Zwangsversteigerung von Genevieves Haus.
„Leider besitzt Monsieur Boulonnais ein recht launisches Wesen, und ich fürchte, eine so lange Frist wird ihm nur Gelegenheit geben, seine Meinung zu ändern", antwortete er.
„Aber selbst meine Galerie ist bis zum Sommer nächsten Jahres ausgebucht. Ich kann vorher einfach keine Ausstellung von Boulonnais' Werken arrangieren", wandte Mr. Lytton ein.
„Dann werde ich Ihr Angebot wohl leider ausschlagen müssen", erwiderte Haydon.
„Ich habe im Augenblick über zwanzig ausstellungsreife Gemälde in meinem Besitz, um die sich die Kunsthändler in Paris förmlich reißen würden. Boulonnais hat mich daher angewiesen, sie zurück nach Frankreich zu bringen, wenn sie hier nicht sofort ausgestellt werden können. Schade, dass wir zu keiner Einigung kommen konnten."
Er streckte zum Abschied die Hand aus.
„Zwanzig Gemälde sagen Sie?" Mr. Lyttons kurzsichtige Augen funkelten, als er sich seinen Gewinnanteil an einem so beträchtlichen Geschäft ausrechnete. „In diesem Fall wollen wir sehen, Mr. Blake, wie rasch wir sie in Kisten verstauen und nach Glasgow schicken können. Ich bin überzeugt, dass ich mit meinen Teilhabern dort eine Lösung finden werde, um sie auszustellen."
Jack starrte finster auf die Wörter der vor ihm liegenden Seite und sah aus, als wolle er das Blatt im nächsten Augenblick vor Wut aus dem Buch reißen. Schließlich schlug er das Buch zu und schob es über den Tisch.
„Ich bin fertig." Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte Genevieve herausfordernd an.
„Möchtest du, dass ich irgendwelche Wörter mit dir wiederhole?"
„Ich kenne sie alle", versicherte er ihr gepresst.
„Aber wir lesen immer bis zum Fünfuhrtee", wandte Simon ein und schaute von seinem Buch auf. „Und es ist erst Viertel vor."
„Das ist mir völlig gleich", fuhr Jack ihn an. „Ich bin fertig!"
„Ich will auch nicht länger lesen", sagte Jamie, um Jack freundschaftlich beizustehen.
„Können wir nun bitte etwas
anderes machen, Genevieve?"
Genevieve zögerte. Wenn sie den Kindern sagte, sie müssten weiterlesen, würde es aussehen wie eine Strafe, und das wollte sie nicht. „Ihr könnt eure Bücher beiseite legen und ein wenig malen, wenn ihr Lust habt. Da du für heute fertig bist, Jack, möchte ich dich bitten, mich zu begleiten. Ich würde dir gern etwas zeigen." Sie erhob sich, ging den Flur hinunter zur Bibliothek ihres Vaters und überließ es Jack, ihr zu folgen.
„Ich habe hier ein Buch, das dir vielleicht gefallen könnte", teilte sie ihm mit und ließ den Blick über die schweren, in Leder gebundenen Werke auf den Regalen schweifen. Schließlich zog sie ein dickes, abgegriffenes Exemplar aus dem obersten Regal und drückte es Jack in die Hand.
Er betrachtete stirnrunzelnd die geheimnisvollen Goldlettern auf dem Buchdeckel und tat, als entziffere er sie.
„Es heißt ,Schiffe im Wandel der ZeitV Genevieve nahm das Buch und schlug es auf.
Die Seite zeigte ein prächtiges Wikingerschiff, das einen bedrohlichen Schlangenkopf am Bug hatte und die Wasser eines azurblauen Ozeans durchpflügte.
„Verdammt noch mal", fluchte Jack beeindruckt. „Das sieht ja aus wie ein Drachen."
„Es handelt sich um ein Wikingerschiff, das fast tausend Jahre alt ist. Die Wikinger galten als Herren der Meere dank ihrer bemerkenswerten Fähigkeit, leichte, stromlinienförmige Schiffe zu bauen, mit denen sie die stürmischsten Ozeane befuhren und überall Furcht und Schrecken verbreiteten. Sie waren außergewöhnliche Entdecker und brutale
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