0091 - Lucifers Bücher
ihm zu Boden. Gellend lachend wie ein Wahnsinniger riß Domdonar ihr das letzte aller Sibyllinischen Bücher aus den Händen, hielt es ins Feuer und sah, wie die Flammen begannen, die Rolle zu verschlingen.
Da wimmerte die ewige Finsternis durch die Grotte am Averner See. Da schrie die Seherin von Cumae in unendlicher Verzweiflung: »Domdonar, diese Schriftrolle nicht. Nur diese eine nicht.«
Sie brannte lichterloh. Nur ein Wunder konnte den Rest noch retten.
Das Wunder war Zamorra!
Er riß die lodernde Buchfackel Domdonar aus den Händen. Er versuchte, sie zu löschen. Er sah nicht das Unheimliche, wie es ihn kompakt angriff.
Er las nur die eine Zeile, die drauf und daran war, in Flammen unterzugehen.
Er begriff, was er las.
Zamorra schrie nach Trifallini und Mente. Er bekam keine Zeit mehr, von Mater-Domina Abschied zu nehmen. Er riß die beiden Beamten der Polizia stradale an sich, sagte den magischen Zauberspruch, den er im letzten der verbrennenden Sibyllinischen Bücher gelesen hatte, und begriff dabei, daß er es gewesen war, der die Sibyllinischen Bücher im Jahr 83 vor Christus in der Grotte zu Cumae vernichtet hatte.
Als es um ihn herum dunkel wurde, hörte alles auf zu existieren - Kampanien, der feuerspeiende Vesuv, Mater-Domina, Domdonar und die Seherin von Cumae mit ihren Luciferen, die in einem einzigen Angriff aus der Antike heraus Europa in ihre Gewalt bringen wollten.
***
An der Kreuzung Via del Fossi und Palazzuolo fanden sie sich in Florenz wieder. Die Ampeln waren auf gelb geschaltet und flackerten im Dauerlicht. Die nachtstillen Straßen waren bis auf wenige Passanten menschenleer.
Niemand kümmerte sich um sie.
»Mann, Luigi, was sagen wir bloß unserer Dienststelle, wo wir so lange gesteckt haben? Wenn wir denen mit der Grotte von Cumae und den Sibyllinischen Büchern kommen, stecken die uns postwendend in eine Klapsmühle. Mann, was sagen wir bloß?«
Selbst Zamorra wußte darauf keine Antwort.
***
Zamorra sagte auch nicht viel, als er Nicole Duval und Bill Fleming erklärt hatte, warum er nach ihnen nicht hatte suchen können. Er meinte abschließend nur: »Ich bin froh, daß ich die Sibyllinischen Bücher vernichtet habe. Wenn ich nur daran denke, wie leicht es der Seherin und Domdonar gefallen ist, die ewigen Kräfte der Finsternis mit Hilfe der sibyllinischen Sprüche zu mobilisieren, dann habe ich nicht nur Europa vor der Übernahme durch die Luciferen bewahrt, sondern der ganzen Menschheit einen Dienst erwiesen, der mir nie zu danken ist.«
In seinem Apartment im Hotel Bristol meldete sich das Telefon. Ein hohes Tier von der Polizia stradale war am anderen Ende der Leitung.
»Scusi, Signore Professore, können Sie mir bestätigen, daß die beiden Signori Trifallini und Mente Ihnen bei der Aufklärung eines sehr delikaten Falles geholfen haben, der mit einem Autounfall Ihrerseits seinen Anfang genommen hat?«
Was kam es in diesem Fall noch auf eine Notlüge mehr oder weniger an?
Professor Zamorra entschuldigte und bestätigte.
Arturo Trifallini und Luigi Mente hatten sich also doch noch eine gescheite Ausrede für ihre Abwesenheit einfallen lassen. Und Zamorra schmunzelte gemütlich, als er den Hörer wieder auflegte. »Aber heute möchte ich von Luciferen, Domdonar und der Seherin von Cumae nichts mehr hören. Was haltet ihr von einem wunderbaren Essen?«
Sie hielten sehr viel davon…
ENDE
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