0091 - Lucifers Bücher
die als dritte in der Grotte hatte sterben müssen.
Und Zamorra hörte die Seherin von Cumae zischen: »Nichts hast du getan, und dennoch habe ich dich in meine Zeit schaffen lassen, denn die ›Drei Krallen der Finsternis‹ verlangen wieder nach dem Blut junger Frauen. Und du bist doch jung, oder etwa nicht, Ina Gumor? Oh, ich kenne deinen Namen, auch die Namen der anderen. Sie sind in einem der geweihten Bücher verzeichnet, und darin steht auch, daß ich euch alle sterben lassen werde. Weißt du denn nicht, wie gern ich morde, Ina…?«
Kein Muskel zuckte in Zamorras Gesicht, als er im wallenden Wasser sah, wie auch Ina Gumor von der Hexe von Cumae durch blitzschnelle Dolchstiche ins Jenseits befördert wurde.
Dann hatte Emilia Soplese als letzte ihr Leben aufzugeben.
Fünf tote Frauen lagen um das Feuer, das aus einem Felsspalt drang und mit seinem beizenden Rauch die Luft in der Grotte verpestete.
Unsichtbare Kräfte zwangen den Parapsychologen, die Seherin anzublicken. Gnadenlos war der Ausdruck in ihren Augen und mordlüstern.
Ihre strichdünnen Lippen verzogen sich zu widerlichem Grinsen. »Domdonar konntest du mit deiner Zaubermacht in die Flucht jagen, Zamorra, aber mich, die wahre Herrin über alle Luciferen, wirst du nie besiegen können. Hier in dieser Grotte wirst du gleich durch meine Hände sterben. Langsam und grausam, wie es in einem der wahrhaftigen Bücher steht…«
Der Zwang zu fragen, in welcher Schriftrolle über seinen Tod etwas zu lesen sei, wurde übermächtig in Zamorra, und ohne sich bewußt zu sein, was er getan hatte, war seine Frage schon gestellt worden.
Die Seherin zuckte zusammen. Lauern glomm in ihren Augen auf. Zamorras Zwischenfrage mußte ihr ungewöhnlich erscheinen. Ihr Blick tastete ihn ab, dann schien sie nichts Beunruhigendes an ihm festgestellt zu haben. Ihr Gesichtsausdruck nahm wieder das Mörderische an. Ihr satanisches Grinsen war nicht viel besser.
Absolut sicher, daß ihr von Zamorra keine Gefahr drohen könnte, wandte sie sich ab und ging tiefer in das Dunkel der Grotte hinein, um wenig später mit einer Schriftrolle zurückzukehren. Neben ihm, fast auf Tuchfühlung, blieb das weibliche Ungeheuer stehen. Sibylle zog die uralte Schriftrolle auf. Dann wiesen ihre knöchernen Finger auf eine Zeile. Professor Zamorra sah eine Schrift, die ihm unbekannt war. Sie hatte auch nicht die geringste Ähnlichkeit mit etruskischen Glyphen. Aber die nächsten Zeilen darunter waren in lateinischen Buchstaben geschrieben.
»Die sollst du nicht lesen, Zamorra!« zischte ihn die Hexe an, und im nächsten Moment hatte er auch den Inhalt der drei übersetzten Zeilen schon wieder vergessen. Die Finger der Sibylle fuhren noch einmal die Zeile mit den unbekannten Glyphen entlang. Hämisch klang ihre Stimme, als sie sagte: »Ich übersetzte es dir, Zamorra. Hier steht: Sein Name wird Zamor sein, aber jemand wird ihn auch Troija genannt haben. Troija, der Verräter. Zamor wird neben dem Feuer der Finsternis sterben, und sein Sein wird nie wieder sein.«
Die Schriftrolle rollte sich von selbst wieder auf. Der Blick aus den Augen der Seherin war nackter Mord. »Die wahrhaftigen Bücher haben noch nie gelogen, Zamorra. Sie kennen und wissen alles bis zum Ende der Erde. Ich werde ihren Untergang erleben und auch noch den Tod Domdonars. Ich…«
Vom Grotteneingang her kam Domdonar gelaufen. Er war ein anderer geworden, seitdem ihn draußen Panik übermannt hatte. Bei seinem Anblick raste ein elektrischer Schock durch Professor Zamorra. Im tiefsten Innern und im Parabereich fühlte er wieder Kräfte wachsen. Zugleich aber auch hörte er die Warnung im Unterbewußtsein, davon nur nichts zu zeigen.
»Reiter kommen, und zwei Männer aus seiner Zeit kommen…«, schrie Domdonar. Seine Stimme hatte viel von ihrer harten, unnachgiebigen Herrlichkeit verloren.
»Jag sie mit deinen Männern zurück!« rief die Seherin ihm zu.
»Ich habe meine Reiter nach Cumae zurückgeschickt, nachdem sie mich bis hierher begleitet hatten.« Seine Erwiderung klang wie der Schrei eines Verzweifelten.
Blitzschnell hatte Zamorra wieder nach dem Amulett gegriffen. Beinahe körperlich fühlte er die Verwirrung bei der Seherin Sibylle und die Ratlosigkeit bei ihrem Sohn. Plötzlich war Lärm vor der Grotte zu hören. Der Professor traute seinen Ohren nicht. Er glaubte, die Stimme der Mater-Domina, der Schwester der Seherin von Cumae, gehört zu haben.
»Ostia Madonna, wenn du nicht Platz machst…«, brüllte
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