0092 - Das Testament des Detektivs
Die Antwort war in jeder Weise interessant. Mr. Weeds war Besitzer mehrerer Wäschereien in New York. Außerdem besaß er eine Lebensmittelfabrik.
In der Passagderliste war Weeds als Fabrikant eingetragen, und Buckley erwähnte nach den ersten Gesprächen, die er mit dem Mann geführt hatte, Weeds habe ihm erzählt, daß er aus der Leberasmittei'branche sei. Das alles war keineswegs interessant. Eine andere Meldung dagegen fesselte mich sehr: Der Wagen, den dte Einbrecher, die nach dem Henker bei Sattleboock eingestiegen waren, benutzt hatten, lief unter Weeds Namen. Er war auch richtig als gestohlen gemeldet worden, doch wurde er weder von der Polizei gefunden, noch meldete der Eigentümer später, daß der Wagen wieder in seinem Besitz sei Ein Beamter, der auf meine Anfrage hin einen Besuch bei Weeds Wäscherei machte, hatte den Wagen aber wieder vorgefunden.
***
Ich saß mit Buckley beim Essen. Es gab rohen Schinken mit Spargel und Creme, eine meiner Lieblingsspeisen. Buckley erzählte von seinen Gesprächen mit Weeds. Er hatte heute länger als eine Stunde mit Weeds geplaudert, aber die Unterhaltung bewegte sich zwischen den Dingen, die die Aufmerksamkeit von Passagieren auf einem Schiff erregen. Das Wetter, die Besatzung, das unendlich weite Meer, die Bordkapelle, die Verpflegung. Bukley, dessen Geschick ich bewunderte, brachte dabei das Gespräch auch auf die Bedienung und pries Murry als einen besonders dienstfertigen und gewandten Stewart.
Alles das erzählte er mir, während ich aufmerksam mit meinem Spargel beschäftigt war. »Wie reagierte Weedis denn auf diese Frage von Ihnen?« fragte ich.
»In keiner Weise auffällig. Aber er wurde doch um eine Kleinigkeit einsilbiger. Sehr gesprächig ist er von Natur aus nicht.«
Nun war es an der Zeit, Buckley über meine Informationen aufzuklären.
»Genügt das nicht zu einer Verhaftung?« erkundigte sich Buckley beiläufig,-während der Stewart den Nachtisch, Obsttorte mit Sahne, auftrug.
Ich mußte lachen. »Das dürften Sie als Anwalt doch wissen. Nein, zu einer Verhaftung benötigen wir entweder einen stichhaltigen Tatverdacht oder gar einen Beweis.« Buckley dachte nach.
»Dann kann so ein Mensch unter Umständen jahrelang frei herumlaufen, obwohl man weiß, daß er ein Verbrecher ist.«
Ich nickte.
»Das kommt immer wieder mal vor, obwohl Sie sich denken können, daß gerade das zu verhindern unsere Aufgabe ist. Und meistens gelingt es uns auch«, fügte ich lächelnd hinzu.
»Aber was können Sie im Falle Weeds tun? Sind Sie überhaupt von seiner Schuld überzeugt?« drang Buckley in mich.
»Was heißt da überzeugt«, sagte ich. »Ich bin überzeugt davon, daß Weeds mit dem Rivalen des Henkers zu tun hat. Vielleicht ist er sogar der Henker.« Ich zuckte die Achseln.
»Und was wollen Sie tun, damit er nicht ewig frei hierumläuft?« Buckley wurde fast heftig, wie das mancher besorgte Staatsbürger wird, sobald er das Gefühl hat, dtie Polizei und die Ordnungsorgane eines Staates arbeiteten nicht einwandfrei.
Ich lächelte. »Was Sie jetzt von mir wissen wollen, darf ich Ihnen nicht so ohne weiteres verraten. Das ist schließlich mein Berufsgeheimnis.«
***
Diese Nacht verbrachte ich nicht in meiner Koje. Ich hatte nach einem längeren Gespräch mit Capitano Bravados Murry verhaften lassen, ohne daß ein Mensch, außer dem Kapitän, Phil und mir etwas davon erfuhr. Murry brachten wir in einer Zelle unter, zu der niemand Zuganghatte. Einzig und allein Phil Decker alias L. Gagliero betrat die kleine Zelle bie und da, um Candler-Murry mit Nahrungsmitteln zu versorgen.
Am nächsten Morgen verbreitete sich die Nachricht einer angeblichen Ermordung Murrys wie ein Lauffeuer auf dem Schiff. Die Passagiere standen in kleinen Gruppen zusammen. Wo sich einer der Schiffsoffiziere zeigte, wurde er von Neugierigen umringt Es war eine recht eigentümliche Atmosphäre. Das Entsetzen über die Tatsache, daß sich ein Mörder an Bord befand, mischte sich mit der Genugtuung darüber, daß endlich Abwechslung in das eintönige Leben an Bord gekommen war.
Gegen Mittag brachte der Schiffsarzt eine Verlautbarung heraus, in der er feststellte, Murry sei durch drei Schüsse aus einer 08-Pistole getötet worden. Der Mord müsse zwischen 2 und 3 Uhr geschehen sein.
Weeds Benehmen nach dem Mord war mehr als auffällig. Zeigte er sich am Morgen noch wie gewohnt, so verließ er das Deck bald nach Bekanntgabe des Mordes. Das Essen ließ er sich ständig in seiner
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