0095 - Am Mittag vor dem großen Coup
Augenblick lang nachdenklich vor sich hin, dann murmelte er: »Manchmal wird man doch in der Auffassung bestärkt, daß das Anzapfen von Telefonleitungen eine nützliche Sache sein kann…«
Er nahm den Telefonhörer zur Hand und rief die Technik an.
»John«, sagte er, »ich hätte gern ein paar Worte mit Less gesprochen. Ist es Ihnen möglich, ihn für eine Viertelstunde vertreten zu lassen? — Gut, schicken Sie ihn gleich ’runter zu mir.«
Wir warteten, bis Less erschienen war und gleich Platz genommen hatte. »Zunächst eins«, begann der Chef. »Auf welcher Leitung wurde das Gespräch geführt?«
»Von der Telefonzelle an der Ecke Park Avenue/130. Straße Ost.«
Mr. High stutzte.
»Von einer Telefonzelle aus? Ich wußte gar nicht, daß wir auch eine öffentliche Telefonzelle.angezapft haben.«
Es lag ein leiser Vorwurf darin. Less bekam einen roten Kopf. Natürlich wußte er, daß dem Chef von dieser Maßnahme nichts gesagt worden war. Er versuchte, die Sache zu erklären: »Chef, wir beobachten seit sechs Wochen die Creanan-Gang…«
»Das ist mir bekannt«, sagte Mr. High. »Aber was hat das mit der Telefonzelle zu tun?«
Less grinste. »Die Boys von der Creanan-Gang haben ihr Home in den Sieben Eichen. Das ist eine ziemlich verfallene Spelunke in der 130. Straße. Wir haben sie sechs Wochen lang beobachtet und dabei die seltsame Feststellung gemacht, daß die Gang alle ihre Telefongespräche von der öffentlichen Zelle aus erledigt.«
»Ist in der Kneipe kein eigener Anschluß?«
»Doch. Aber die Gangster trauen entweder dem Wirt nicht oder uns. Vielleicht glauben sie, wir hätten die Leitung der Kneipe angezapft.«
»Ihr Verdacht ist ja gar nicht so unbegründet«, sagte Mr. High mit trockenem Humor. »Statt dessen hat das FBI sogar die Leitung einer öffentlichen Fernsprechzelle angezapft.«
Less zuckte verlegen die Achseln. »Wir dachten, wenn wir Ihnen nichts davon sagen, kann Sie niemand deswegen zur Verantwortung ziehen, Chef, wenn die Sache erst mal rausgekommen ist. Und irgendwann muß man ja damit rechnen, daß es rauskommt.«
Mr. High nickte. Er fuhr sich mit einer müden Geste über die Stirn. Es war einer der spärlichen Augenblicke, in dem man ihm anmerken konnte, welch eine Last an Verantwortung er zu tragen hatte.
»Das ist ein kleiner, freundlich gemeinter Irrtum. Als Chef des FBI New York bin ich für alles verantwortlich, was meine Leute anstellen«, sagte er leise. »Ganz egal, ob ich es weiß oder nicht. Ich habe es einfach zu wissen, verstehen Sie, Less? Außerdem würde man mir sowieso nicht glauben, wenn ich sagen würde, ich hätte vom Anzapfen dieser Telefonleitung nichts gewußt.«
Wir schwiegen. Wir wußten ja ganz genau, daß jetzt wieder dieses Problem aufgetaucht war, für das es einfach keine allgemeine Lösung geben konnte.
»Na ja«, sagte Mr. High nach einer Weile, »jetzt'ist es geschehen, und vielleicht rettet diese Tatsache einer Frau das Leben. Das würde mein Gewissen in dieser Hinsicht außerordentlich beschwichtigen. Kommen wir zu der Sache, die uns jetzt vordringlich bewegen muß: die geplante Ermordung einer Frau, von der wir so gut wie nichts wissen.«
Mr. High schob nachdenklich die Unterlippe vor.
»Uns ist bekannt, daß von dieser Telefonzelle her vorwiegend die Gangster der Creanan-Gang ihre Gespräche führen. Damit liegt der Verdacht fast auf der Hand, diese Bande könnte für den geplanten Mord verantwortlich zeichnen. Was liegt gegen die Creanan-Gang vor?« Phil bewies wieder einmal sein vorzügliches Gedächtnis. Er runzelte die Stirn, dachte angestrengt nach und platzte dann heraus: »Zwei Einbrüche in der 127. Straße Ost. Bei einem davon wurden drei Fingerabdrücke sichergestellt, die eindeutig auf einen gewissen Mr. Strack Marchy hinweisen. Strack Marchy ist bereits vorbestraft. Wir wissen, daß er zur Creanan-Gang gehört. Wir wissen aber nicht, was wir den anderen Bandenmitgliedern anhängen können, obgleich von denen jeder bestimmt eine Wagenladung voll Dreck am Stecken hat«.
»Deswegen haben wir ja bisher noch nicht zugegriffen«, fiel Less ein. »Wir hofften, durch die aufgenommenen Telefongespräche erst noch mehr Hinweise in die Hand zu bekommen, dank derer wir stärkeres Beweismaterial gegen die ganze Bande hätten Zusammentragen können.«
»Das ist mir klar«, nickte der Chef. »Aber wie der Fall jetzt liegt, werden wir uns durch den Kopf gehen lassen müssen, ob wir die Bande nicht doch sofort und ohne
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