0095 - Yama, der Totengott
bleibend, schlug er mit dem Amulett zu. Aber er traf nicht, denn seine Faust stieß nur in die Knochenlücke unterhalb des Kreuzbeins.
Blitzschnell wich er wieder zurück. Gerade noch rechtzeitig. Abermals hatte der Dämon einen Versuch unternommen, ihn wie ein lästiges Insekt zu fangen.
Zamorra startete einen neuen Angriff. Diesmal zielte er nach dem rechten Bein des Unholds, dorthin, wo die Abstände zwischen den Skelettknochen nicht so groß waren.
Und diesmal traf er. Voll hämmerte er den Talisman gegen das Kniegelenk des Totengottes.
Grollend brüllte der Dämon auf. Aber sein knöchernes Bein zuckte nur kaum merklich zurück. Sein unheiliger Skelettkörper hatte die Kraft des Amuletts absorbiert.
Urplötzlich trat er mit dem anderen Bein nach dem Professor. Im letzten Sekundenbruchteil sah Zamorra die klappernden Fußknochen auf sich zu fliegen. Er schleuderte sich zur Seite, konnte aber nicht vermeiden, an der Hüfte gestreift zu werden. Schmerzerfüllt musste er feststellen, dass der Hieb des Dämons ein handgroßes Hautstück weggerissen hatte.
Den Schmerz ignorierend rappelte sich Zamorra wieder auf. Er täuschte einen abermaligen Schlag nach den Beinen des Dämons an - mit der Linken. Tatsächlich aber knallte er die Rechte, in der er das Amulett hielt, gegen den Brustkorb des dämonischen Skeletts.
Die Wirkung war wiederum nur minimal. Der Professor erkannte, dass es ihm so niemals gelingen würde, Yama zu besiegen. Das Knochengerüst des Unholds war nahezu immun gegen die Kraft seines Talismans. Er musste eine empfindlichere Stelle treffen. Und da bot sich eigentlich nur eine an, genauer gesagt drei: die Flammenaugen des Dämonen.
Es war jedoch schwierig, an diese heranzukommen. Der grässliche Totenkopf des Unholds thronte in einer Höhe, die er mit der Faust kaum erreichen konnte. Dennoch musste er es versuchen, denn darin sah er seine einzige Chance.
Mit Mühe und Not entging er zwei furchtbaren Rundschlägen des Knochenungeheuers. Beinahe hätte ihn allein der Luftzug von den Beinen gerissen.
Zamorra marschierte wieder nach vorne. Unvermutet trat er den Dämon gegen das Schienbein, alle Kraft in diesen Tritt hineinlegend. Der Beinknochen Yamas war hart wie Stahl, vielleicht noch härter. Der Professor spürte, wie einer seiner eigenen Fußknochen zersplitterte.
Trotzdem konnte er einen Erfolg verzeichnen. Der Dämon war offensichtlich auf eine solche Attacke nicht vorbereitet gewesen. Er geriet leicht ins Straucheln, kippte ein Stück nach vorne, rang um seine Balance.
Das war die Chance, auf die der Professor gewartet hatte. Die Zähne zusammenbeißend und gar nicht auf den mörderisch schmerzenden Fuß achtend, sprang er hoch. Zielsicher drückte er das Amulett in das dritte Feuerauge, das mitten im Gehirnschädel des Unholds saß.
Seine Spekulation ging voll auf. Eine gewaltige Stichflamme schoss aus der Augenhöhle hervor. Dann erlosch das Feuer, als sei es mit Wasser erstickt worden.
Yama schrie so fürchterlich auf, dass die Felsbrocken in der Umgebung bebten.
Dann verschwand er.
Zamorra hatte gesiegt.
***
Der Professor gab seinen Astralkörper auf und ließ sein Id in den diesseitigen Körper zurückkehren.
Er fand ihn in perfektem Zustand. Sein schlummerndes Bewusstsein hatte nicht gelitten, und die Verletzungen seines Astralleibs hatten seinen richtigen Körper nicht berührt.
Ohne Zeitverlust befreite er sich von den selbstangelegten Fesseln und kehrte dem schaurigen Friedhof, der in der Dunkelheit noch makabrer wirkte, den Rücken zu.
Wenig später war er wieder im Kloster.
Es heißt, dass Asiaten ihre Gefühlsregungen immer im Zaum haben, dass sie selbst in Augenblicken der tiefsten Trauer und der größten Freude gleichmütig bleiben. Auf die Mönche des Schlangenklosters traf dies im vorliegenden Fall nicht zu. Sie feierten den Triumph Zamorras mit nahezu überschwänglicher Begeisterung. Bill Flemings stummer Händedruck nahm sich dagegen fast bescheiden aus. Aber er war dem Professor im Grunde genommen wertvoller als die schließlich in Ehrerbietung erstarrenden Lobpreisungen der Schlangenmönche.
Zamorra hielt sich nicht lange im Kloster auf. Eine Aufgabe wartete noch auf ihn, die eigentliche Hauptaufgabe.
Er trat in den Klosterhof hinaus, blickte zum nachtschwarzen Himmel empor, konzentrierte sich dann.
Seine Gedankenströme überbrückten die Grenze zwischen den Welten.
»Yama!«, rief er lautlos. »Komm zu mir, ich brauche dich!«
Und der Totengott
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