0,1 % - Das Imperium der Milliardäre
was nicht, verändert sich. Die Welt ist wieder sehr im Fluss. Wir haben es eben nicht nur mit einem strukturellen Wandel zu tun, mit dem Übergang des Supermachtstatus von einem auf den anderen, sondern auch mit einem systemischen Wandel. Das System selbst verändert sich. Es werden nicht nur Positionen ausgetauscht, sondern neue Akteure erzwingen neue Positionen. Die Macht wurde zerstreut.« 21
Und es ist ja richtig, dass es auf der medialen Oberfläche des Weltgeschehens so scheint, als würden heute »multinationale Konzerne, Philanthropen und Fundamentalisten, Universitäten und Söldner« sozusagen gleichberechtigt nebeneinander wirksame »Diplomatie« betreiben. Aber es ist wenig nützlich für ein Verständnis der Globalisierung, damit auch alle genaueren Fragen nach militärischen, politischen und ökonomischen – und »privatisierten« – Herrschaftsstrukturen und Machtkonzentrationen vom Tisch zuwischen. Dieses Verwirrspiel aber ist eine durchaus bekannte Funktion dieser ganzen inter- beziehungsweise transnationalen Beratergemeinde, der Khanna als Nachwuchskraft angehört.
Da sind die Thesen von David Rothkopf in seinen Büchern Die Super-Klasse und Power Inc. schon von anderem Gewicht. 22 Auch Rothkopf stammt wie Khanna aus der Welt der Politikberatung. Doch er hat seine Erfahrungen einige Etagen höher gesammelt. In der Clinton-Administration war er Unterstaatssekretär im Handelsministerium, davor und danach in den verschiedensten Stiftungen und Think-Tanks tätig, darunter Carnegie Endowment for International Peace, Henry Kissinger Associates, Council on Foreign Relations. Jetzt betreibt er ein eigenes Beratungsunternehmen: Garten Rothkopf, eine internationale Beratungsfirma für »Trends der globalen Transformation«, insbesondere auf den Gebieten der Energie, Sicherheit und der neuen Märkte.
Seine zentrale These ist, dass sich eine globale Machtelite (ganz in der Tradition von C. Wright Mills) von wenigen tausend Menschen herausgebildet hat, welche sich, das gehört zu ihrer Definition, mehr oder weniger der öffentlichen, demokratischen Kontrolle entzieht. Nicht unbedingt »bewusst« oder gar »geplant«, sondern weil die heutigen Kommunikationsstrukturen und Vernetzungen das Kurzschließen zwischen Spitzenleuten aus allen Bereichen so einfach machen. Und da kommt dann ein buntes Völkchen zusammen. Man sieht sie auch in Davos, bei den Bilderbergern und vielleicht sogar in der Bohemian Grove, jenem kalifornischen jährlichen Camp der Superreichen, wo an Lagerfeuern große Politik gemacht, über Präsidentschaften und globale Strategien entschieden wird.
Das Problem aber ist, dass bei Rothkopf die Begriffe Kapital, Kapitalakkumulation oder Kapitalmacht keine besondere Rollen spielen, sondern allenfalls als eine von vielen Machtquellen figurieren. Das ist zwar die geradezu notwendige Perspektive aller Berater, die sich selbst an jene Netzwerke verdungen haben. Ohne diese Sichtweise könnten sie in ihrer Profession gar nicht weiterexistieren. Andererseits aber ist Rothkopf gegenüber den Mächtigen und insbesondere auch unseren Superreichen kritisch eingestellt. Das erklärtauch den Erfolg seines Buches Die Super-Klasse . Er repräsentiert durchaus jene Kreise der Funktions- und Wissenseliten, die im Laufe der Jahre gerade aufgrund ihrer Insiderkenntnisse immer hellhöriger geworden sind – mehr oder weniger vorsichtige Whistleblower, welche die Gefahr des Abstiegs oder Hinauswurfs in Kauf nehmen, auch weil die Auffangnetze der »Multitude«, des alternativen »Empire der 99 Prozent«, tragfähiger geworden sind.
So ist auch die folgende kleine Anekdote aufschlussreich. In der Danksagung an seine Frau am Ende seines Buchs über die Superklasse beschreibt Rothkopf, wie es bei ihm zu Hause während der Abfassung des Manuskripts zuging: »Es gibt Zeiten, da streife ich durch das Haus, eine Decke über den Kopf gezogen, und murmle zusammenhanglos vor mich hin. Insofern stelle ich mir vor, dass es ganz schön lästig sein kann, mit jemandem zusammenzuleben, der dabei ist, ein Buch zu schreiben – vielleicht sogar ein wenig unheimlich. (Mit einer Decke über den Kopf sehe ich fast wie jemand von diesen Sandleuten aus oder wie eine Kreuzung aus einem Mönch und einem Schneemenschen.)« 23
Wer nun David Cronenbergs Film Cosmopolis nach Don DeLillos gleichnamigem Wall-Street-Roman gesehen hat, wird an dieser Stelle sofort aufmerken. Roman und Film handeln von einem jungen, milliardenschweren
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