0,1 % - Das Imperium der Milliardäre
Zukunftsfähiges enthalten? »Hier im Hauptquartier der Buffalo News , einem sandfarbenen Bürogebäude am Fluss gegenüber einer duftenden Cheerios-Fabrik, ist der einzig sichtbare Hinweis auf den Eigentümer der Zeitung ein kleines Foto im Büro des Herausgebers, Stanford Lipsey, mit der Widmung ›für den Besten in diesem Geschäft, Warren‹. Warren ist natürlich der Milliardär Warren Buffett.« 32 Doch die bescheidene physische Präsenz in diesen Räumen – die er seit acht Jahren nicht besucht hat – untertreibt Buffetts Interesse an dieser Zeitung, die sein Unternehmen Berkshire Hathaway im Jahre 1977 kaufte. Später hatte Buffett seinen Aktionären versichert, keinesfalls noch einmal ins unrentable Zeitungsgeschäft einzusteigen. Im gleichen Atemzug aber kaufte er 63 Lokalzeitungen dieser Regionauf einmal, dazu Anteile an einer Kette kleiner Zeitungen in Iowa. Er sei »zeitungssüchtig«, gestand er. »Kaum vorstellbar, was Buffalo ohne eine solche Zeitung wäre«, sagt ein ehemaliger Reporter, der jetzt Dekan einer journalistischen Fakultät ist. »Er hat seine Hand über die Stadt und deren Lokalzeitung gehalten und Millionen und Abermillionen ausgegeben, als es diesen Zeitungen schlecht ging.« Trotz sinkender Zirkulation (150 000 täglich, 230 000 sonntags) wegen des Bevölkerungsrückgangs haben die Buffalo News die zweithöchste Penetrationsrate in den USA. Siebzig Prozent aller Haushalte in Buffalo und Umgebung lesen diese Zeitung. 33
Und eine zweite Geschichte: Ein mir bekannter Milliardär spielt mit dem Gedanken, sich vorsichtig einzukaufen in einen dieser schönen großstädtischen Wohnblocks, begrenzt von ruhigen Wohnstraßen, mit Häuserzeilen, in denen sich Baustile und Baujahre mischen, mit einem riesigen Innenhof voller alter Bäume, mit einer Vielfalt von Bewohnern (und Eigentumsverhältnissen). Schon der unauffällige Erwerb all dieser unterschiedlichen Objekte, ohne die jetzige Population und ihre Strukturen zu stören oder gar zu vertreiben, wäre ein logistisch höchst aufwendiges Unternehmen mit Kosten von 250 bis 300 Millionen Euro. Und wäre diese komplexe Insel erst einmal angeeignet, ginge es nicht um Rendite, sondern um subtile soziale Experimente, Vergemeinschaftungen, wo möglich, Vereinzelungen, wo sinnvoll. Mein Bekannter imaginiert seine Rolle als ein Hinter-den-Kulissen-Wirkender, als einer, der nach Sinn und Formen innerstädtischen Lebens sucht. Er wäre ein Lehnsherr neuen Typs, der versuchte, in einem neuen Anlauf die Versprechen des Feudalismus auf einer Fläche von 20 000 Quadratmetern mit 800 Menschen auszutesten. Ich habe ihm geraten, es sein zu lassen. Aber ich bin mir nicht sicher.
Diese beiden sympathischen Beispiele illustrieren auf jeden Fall souveräne, nur mit riesigen privaten Geldmitteln realisierbare Aktivitäten. Es sind Aktivitäten, die nicht den Gesetzen der Kapitalverwertung, sondern der Verwertung von »Privatheit« folgen. Dieser Weg kann aber auch ganz andere – chaotische, absurde, brutale – Formen annehmen. Denn Privatheit ist – wie Kapital – kein Wert an sich.
Absurdistan
Die Anzeichen für einen mit dem Globalisierungsprozess verbundenen Absturz in Zustände vergleichbar dem Chaos früherer, vorkapitalistischer Weltepochen häufen sich. Für manche beginnt der Sinkflug der Demokratie in den Bonapartismus. Besorgniserregender noch sind die Übergänge in die Großkriminalität. »Die UNO hat erstmals den Jahresumsatz von organisiertem Verbrechen, Drogenschmuggel und Menschenhandel berechnet. Das Ergebnis: Mit einer Summe von 2,1 Billionen Dollar liegt die organisierte Kriminalität etwa gleichauf mit dem Bruttoinlandsprodukt von Großbritannien – und wächst weiter. Wäre die organisierte Kriminalität ein Land, dann stünde sie auf der Liste der zwanzig größten Volkswirtschaften der Welt. Mit Menschenhandel, Drogenschmuggel oder anderen illegalen Geschäften machen die Hintermänner einen Jahresumsatz von 1,6 Billionen Euro – das hat eine Untersuchung der Vereinten Nationen ergeben. Die für das Jahr 2009 ermittelte Schadenssumme der grenzüberschreitenden Kriminalität entspreche 3,6 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung, sagte der Leiter des UNO-Büros zur Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC/ United Nations Office on Drugs and Crime), Juri Fedotow, in Wien. Allein Menschenhändler kassieren demzufolge jährlich etwa 32 Milliarden Dollar. ›Wir müssen anerkennen, dass das Problem eine globale Lösung
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