0,1 % - Das Imperium der Milliardäre
keine öffentlichen Hinweise auf wohltätige Spenden. Er hat die Giving Pledge nicht unterschrieben, es gibt keine Klinik und kein akademisches Gebäude, das seinen Namen trägt. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass Jobs, der immer auf seine Privatheit achtete, anonym gespendet hat oder Pläne für den Verbleib seines Vermögens nach seinem Tod gemacht hat. Aber zwei seiner engsten Freunde berichten, dass Jobs angesichts seines wachsenden Reichtums nur sagte, dass er mehr Gutes bewirken könne, wenn er seine Energien statt auf Philanthropie auf die Expansion von Apple konzentrieren würde.« 26
Hier möchte sich, könnte man sagen, der Superreichtum unter Ausnutzung der Privatheit des Eigentums in die neuronalen Netze des Wissens, in die Produktionsmittel des Denkens selbst ausdehnen. Und da diese »Kapitalisten« relativ genau wissen, was in den Bürokratien von Non-Profit-Organisationen, Stiftungen und Think-Tanks abläuft, werden sie neue Wege suchen.
So ist Megan Ellison, die Tochter des Silicon-Valley-Milliardärs Larry Ellison, gerade dabei, die Independent-Filmbranche »mit ihren tiefen Taschen und ihrem Highbrow-Geschmack« aufzumischen. Das 26-jährige einstige Partygirl ist in Hollywood zur mächtigsten neuen Filmproduzentin aufgestiegen. »Von ihrem 33-Millionen-Dollar-Anwesen oberhalb des Sunset Strip leitet sie eine blühende Firma, die genau jene Filmdramen für Erwachsene produziert, von denen die großen Filmstudios die Hände lassen.« Hollywood hat immer schon reiche, außenseiterische Investoren angelockt. Meist sind sie an den Komplexitäten gescheitert, welche die Produktion eines erfolgreichen Films mit sich bringt. Megan Ellison aber hat inzwischen eine ganze Reihe bemerkenswerter Publikumsfilme produziert. Sie hat mit so renommierten Filmemachern wie Kathryn Bigelow ( The Hurt Locker ), Paul Thomas Anderson ( There Will Be Blood ) und Spike Jonze ( Being John Malkovich ) zusammengearbeitet. Allein im Jahre 2012 hat sie vier Filme mit insgesamt hundert Millionen Dollar finanziert. Sie wählt ihre Projekte ausschließlich nach ihrem persönlichen Geschmack aus. Neulich tweetete sie, Ayn Rand zitierend: »Die Frage ist nicht, wer mir etwas zu tun erlaubt. Die Frage ist: Wer will mich stoppen.« 27
Aber auch die traditionelle Philanthropie verändert sich durch Silicon Valley. Marc Andreessen, millionenschwerer Partner einer Venture-Capital-Firma, und seine Frau Laura Arrillaga haben zwar die Giving Pledge unterschrieben, aber sie passen deren Konzept an die neuen Industrien an. Sie führen Seminare – für Milliardäre und ihre Berater – darüber durch, wie das Spendenverhalten rationalisiert werden kann. Laura Arrillaga hat ein Buch geschrieben – Giving 2.0: Transform Your Giving and Our World (2011) –, das die Selektionsverfahren von Venture-Kapitalisten auf die Philanthropie überträgt. 28 Sie beriet viele Superreiche, darunter Mark Zuckerberg, als er dem öffentlichen Schulsystem von Newark hundert Millionen Dollar spendete. »Ihre Philosophie passt genau zur Silicon-Valley-Gestalt. Wenn Unternehmer, Ingenieure, Investoren hier für die Wohltätigkeit spenden, möchten sie es nach Regeln tun, die auch in ihren normalen Tätigkeitsfeldern gelten.« 29
Das alles sind keine umwerfenden Neuigkeiten, aber sie zeigen, dass das Mäzenatentum nicht nur auf alte Muster zurückgreift, wie sie etwa in Deutschland noch vorherrschen, sondern kreativer, unkonventioneller wird – und vielleicht sogar »wissenschaftlicher« (siehe Seite 240 ff.).
Zwischen Refeudalisierung und Absurdistan
Trotz Französischer Revolution und amerikanischer Unabhängigkeitserklärung ist die Aristokratie nie ganz verschwunden, sondern in mancher Hinsicht integraler Bestandteil der Moderne geblieben. Ökonomisch haben viele Aristokraten aus ihrem Eigentum Kapitaleigentum machen können, sind »Kapitalisten« geworden. Andere Elemente aristokratischen Lebens dienen der Verbrämung allzu kruder kapitalistischer Verhältnisse. Vorstellungswelten aus der Zeit des Feudalismus, abzulesen an der frühen Wolkenkratzerarchitektur, prägten das Selbstbild der Konzerneliten, bevor sie zu ihrer eigenen Ikonizität fanden (s. o., Leslie Sklair). Und heute trainiert der Nachwuchs seine aufstiegswillige Kampfkraft an Computerspielen voller Ritter- und Fürstengestalten. Kleine Fürstentümer wie Monaco und große Monarchien wie Großbritannien verbergen unter aristokratischem Gehabe beinharte Steuervorteile. Und hinter all
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