01 - Der Ring der Nibelungen
niemals zurückschauend, beständig hoffend, dass sich der Schuppenleib des Lindwurms im Gewirr der Bäume einem Engpass beugen musste.
Siegfrieds Lungen schienen schon zu bersten, als das Gebrüll des Drachen endlich nicht mehr klang, als käme es von seinen Fersen. Eine riesige Eiche, deren Wurzelwerk am Hang vielfältig aus der Erde ragte, versprach kurzzeitigen Schutz. Siegfried zwängte sich zwischen die störrischen Wurzeln, bis er von außen nicht mehr zu sehen war. Nun hatte er zwar einen Ort gefunden, an den Fafnir nicht folgen konnte - aber seine Flammen würden ihn dennoch finden.
Er hörte den Drachen wüten, seinen Leib immer wieder gegen alte Bäume schlagen, diese aus dem Boden reißend. Siegfried blieb also nur wenig Zeit, sich eine Strategie zu überlegen. Er atmete schwer, und Nothung in seiner Hand war merkwürdig still. Sein Hemd war zerrissen, und aus kleinen Wunden floss Blut. Seine Haut brannte am ganzen Körper und war tiefrot von der Hitze.
Er verstand nun, mit welcher Leichtigkeit der Drache auch die besten Soldaten überwältigt hatte. Kaum ein Pferd war Fafnir an Schnelligkeit und Beweglichkeit gewachsen, und jede Rüstung war Ballast, der den Tod bedeutete.
Es fiel Siegfried nicht ein, das Duell so einseitig zu belassen, wie es bisher gewesen war. Wenn er eine Chance gegen den Lindwurm wollte, musste er sie fordern. Er erinnerte sich daran, was Regin gesagt hatte: Drachen lebten in Höhlen. Es war davon auszugehen, dass Fafnir angesichts seiner Maße nur in dem Bau Zuflucht suchen konnte, der ihn zuerst genarrt hatte.
Schliefen Drachen? Wie gut war ihr Geruchssinn? Siegfried ärgerte sich, so wenig zu wissen, was ihm weiterhelfen konnte. Es hatte ihn ja schon überrascht, dass Fafnir nicht aus dem Rachen die Flammen spuckte, sondern durch die Nüstern, wie ein Pferd seinen dampfenden Atem im Winter. Wie dem auch sei, er musste den Kampf suchen, wenn er ihn gewinnen wollte.
Er drückte sich aus seinem Versteck, das zerrissene Hemd abstreifend. Den Stoff behielt er aber in der Hand, während er sich zu orientieren versuchte. Schließlich wandte er sich nach rechts, um über die Höhe des Hügels von oben an den Höhleneingang zu schleichen.
Die Bestie musste eine Schwachstelle haben. Es erschien Siegfried unwahrscheinlich, dass die Götter etwas geschaffen haben sollten, das so makellos wie sie selbst war.
Es dauerte eine Weile, bis er wieder an dem Ort war, von dem er so überstürzt hatte fliehen müssen. Er tastete sich den Hang hinunter, den Höhleneingang stets im Blick. Fafnir war nirgends zu sehen. Angesichts seiner enormen Gestalt war er wieder in die Lüfte gestiegen oder er . . .
Wie zur Bestätigung hörte Siegfried ein Rumoren aus der Höhle, und der Hügel schien unter seinen Füßen zu erzittern. Es stimmte also: Fafnir war im Innern des Berges zu Hause!
Leider war das Geröll an dieser Stelle weder zahlreich noch groß genug, um den Höhleneingang durch einen geschickt ausgelösten Steinschlag zu verschütten. Siegfried sah nun auch wieder den Kopf des unglücklichen Giselher, der mahnend Wache zu halten schien.
Ihm kam eine Idee. So langsam, dass selbst die trockenen Blätter unter seinen Füßen keinen Laut machten, schlich sich Siegfried auf der rechten Seite am Höhleneingang vorbei. Er warf einen kurzen Blick in das schwarze Loch, aber Fafnir war nicht zu entdecken.
Mit äußerster Vorsicht zog er den verwesenden Kopf des Thronfolgers von Burgund von dem Pfahl, auf den er festgesteckt worden war. Dann machte er sich ebenso behutsam daran, seine Schritte zurückzuverfolgen, bis er wieder über dem Eingang der Höhle hockte.
Es wunderte ihn ein wenig, dass Fafnir die Verfolgung so schnell aufgegeben hatte, aber andererseits hatte der Drache alle Vorteile auf seiner Seite. Wer ihn besiegen wollte, musste zu ihm kommen.
Siegfried mühte sich, nicht hinzusehen, während er den zerrissenen Ärmel seines Hemdes Giselher so weit in den Mund drückte, bis er am faserig abgetrennten Hals wieder hervorkam. Dann machte er einen Knoten und hatte nun den Kopf wie ein Gewicht an einem langen Stück Stoff. Ein grausiger Anblick, aber Siegfried beruhigte sich damit, dass er Gunther zumindest berichten konnte, dass sein Bruder ihm im Kampf gegen den Drachen ein letztes Mal beigestanden hatte.
Es war Zeit, Fafnirs Blutdurst zu reizen! Siegfried beugte sich so weit über den oberen Rand des Höhleneingangs, wie es ihm möglich war, ohne kopfüber auf den Waldboden zu
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