01 - Ekstase der Liebe
Doch wenn er nur daran dachte, wie feucht sie gewesen war und wie
eng, wurde er blass. Sie konnte keine Dame sein; es gab einen eindeutigen
Beweis. Keine Dame hatte Spaß am Liebesspiel, von einer jungfräulichen Dame
ganz zu schweigen.
Charlotte ihrerseits
dämmerte nur allmählich die ganze Wahrheit. Sie lief in den Ballsaal und
stellte voller Dankbarkeit fest, dass Julia und Mr Colby neben der Statue von
Narziss standen, den empörten Gesichtsausdruck Julias bemerkte sie jedoch
nicht. Sie brauchte nichts zu sagen, Julia schob sie wortlos durch den Ballsaal
hinaus zu Mr Colbys Kutsche. Tatsächlich fiel ihr erst später auf, wie seltsam
es war, dass auf dem Heimweg nicht gesprochen wurde. Sie war so durcheinander,
dass sie überhaupt nicht das Gefühl hatte, in einer Kutsche zu sitzen.
Zu
Hause platzte Julia damit heraus, dass Mr Colby versucht hatte, sie zu küssen -
sie, Julia, zu küssen! -, und sie war gezwungen gewesen, ihm auf den Fuß
zu treten, damit er sie losließ; Charlotte saß einfach nur wie betäubt auf
ihrem Stuhl und nickte von Zeit zu Zeit. Endlich hielt Julia inne.
»Geht
es dir gut, Charlotte?«, fragte sie, als sie bemerkte, dass Charlotte dunkle
Ränder unter den Augen hatte und ihr Gesicht wächsern aussah.
Charlotte
entgegnete: »Ich glaube, ich muss mich übergeben.« Was sie dann auch direkt auf
dem Aubussonteppich in Julias Schlafgemach tat. Da Julia nun nicht in einem
säuerlich riechenden Zimmer nächtigen wollte, gingen beide schließlich in
Charlottes Schlafgemach und schickten sich an, schlafen zu gehen.
Julia
schnappte nach Luft, als Charlotte sich auszog. Charlotte sah an sich herab,
bemerkte das Blut an ihren Beinen und erschrak beinah zu Tode.
»Ach,
wie dumm von mir«, sagte Julia. »Du hast deine Monatsblutung. Hast du alles
dabei?« Als Charlotte stumm den Kopf schüttelte (ihre Blutung war erst in zwei
Wochen fällig), trippelte Julia in ihr Zimmer und holte alles Notwendige.
Charlotte
wusch sich in dem Becken in der Ecke und berührte vorsichtig die Stelle, wo es
heftig stach, schmerzte und pochte und über die sie sich noch nie wirklich
Gedanken gemacht hatte.
Er
hatte sie ruiniert. Auf einmal kam ihr dieser Gedanke zu Bewusstsein. Das
bedeutete es also, ruiniert zu sein. In ihrem Inneren musste etwas gerissen,
musste anders sein.
Und ihr
lief ein kalter Schauer über den Rücken, als sie begriff, dass sie niemals
heiraten konnte, weil jeder Mann, der sie heiratete, herausfinden würde, dass
sie ruiniert war. In ihrer Seele wurde es ganz, ganz ruhig, und es gelang ihr
sogar, Julia zuzulächeln, als diese zurück ins Zimmer huschte.
Sie zog
ihr weiches weißes Nachtkleid über und rollte sich im Bett zusammen, das
Gesicht von Julia abgewandt. Doch sie konnte lange Zeit nicht einschlafen. Als
sie schließlich doch entschlummerte, wachte sie mit einem lauten Schluchzen
wieder auf, das Bild ihrer Mutter und ihres Vaters vor Augen. Was würden sie
sagen, wenn sie es wüssten?
Am
nächsten Morgen lag sie völlig erschöpft im Bett und fühlte sich schrecklich.
Julia setzte sich zu ihr, nippte an ihrer heißen Schokolade und erzählte. Zum
Glück brauchte Julia nicht viel Zuspruch, um eine lebhafte Unterhaltung zu
führen.
»Ich
kann einfach nicht glauben, dass Mr Colby so heimtückisch ist!«, wiederholte
sie immer wieder. Charlotte bemerkte, dass »Christopher« endgültig »Mr Colby«
geworden war.
»Ich
kann nicht glauben, dass er versucht hat, sich bei mir Freiheiten
herauszunehmen!« Julia stieß Charlotte noch einmal an, um ihre Aufmerksamkeit
zu wecken. »Charlotte! Das ist wichtig! Er hat nicht nur versucht, mich zu küssen.
Er hat seine Hand auf meine Brust gelegt, Charlotte! Auf meine
Brust«, sagte Julia noch einmal und betonte jedes einzelne Wort. »Er hätte
mich ruinieren können«, meinte sie genüsslich.
Charlotte
reagierte nicht. Julia starrte sie an. »Geht es dir wirklich gut, Charlotte? Du
bist so schrecklich still. Ich könnte meine Mutter fragen ... Sie hat einige
gute Mittel bei schlimmen Monatsblutungen. Soll ich das tun? Ach nein«,
jammerte sie. »Ich kann nicht! Sie würde auf den ersten Blick sehen, dass ich gestern
Abend beinahe ruiniert worden wäre!«
Charlotte
dachte dumpf, dass Julia offensichtlich großes Vergnügen daran fand.
»Stell
dir vor«, fuhr Julia vor, »wenn ich ihm nicht im richtigen Augenblick auf den
Fuß getreten wäre, wer weiß ...? Vielleicht wäre es ihm gelungen, meinen
Widerstand zu brechen!« Julia kicherte.
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