01 - Nacht der Verzückung
entlangschritten,
dass der morgige Tag auch nur halb so schön werden würde.
»Der
morgige Tag wird doppelt so schön werden«, antwortete Neville jedes Mal, wobei
er seine Verlobte innig anlächelte, »selbst wenn der Wind heult und es wie aus
Eimern schüttet und der Donner grollt.«
Laurens
Lächeln konnte man fraglos als strahlend bezeichnen. Als er sie schließlich zu
den ersten Bauerntänzen führte, erschien es Neville völlig unbegreiflich, dass
er jemals gezögert hatte, sie zu seiner Braut zu machen, dass er sie sechs
Jahre hatte warten lassen, während er sein jugendliches Ungestüm als Offizier
des 95. Schützen-Regiments austobte. Er hatte ihr, natürlich, den Rat
gegeben, nicht auf ihn zu warten - er hatte sie viel zu gern gehabt, um
sie sich warmzuhalten, als er sich seiner Absichten ihr gegenüber noch nicht
sicher gewesen war. Aber sie hatte gewartet. Heute war er darüber sehr
glücklich und tief gerührt von ihrer Geduld und Treue. Er spürte, dass ihre
bevorstehende Heirat das Richtige war. Und seine Zuneigung zu ihr war nicht
schwächer geworden. Sie war gewachsen, genau wie seine Bewunderung für ihren
Charakter und ihre Schönheit.
»Dies
ist der Anfang«, flüsterte er ihr zu, als das Orchester zu spielen begann.
»Unsere Hochzeit, Lauren. Bist du glücklich?«
»Ja.«
Doch
ihre Antwort war überflüssig. Sie strahlte vor Glück. Sie war der Inbegriff
einer Braut. Und sie war seine Braut. Es stimmte alles.
Neville
tanzte zuerst mit Lauren, dann mit seiner Schwester. Dann tanzte er mit einigen
jungen Damen, die aussahen, als würden sie sich auf ein Dasein als
Mauerblümchen vorbereiten, während Lauren nacheinander mit verschiedenen
Partnern tanzte.
Nachdem
er mit einer seiner Partnerinnen einen Spaziergang auf dem Balkon gemacht
hatte, betrat Neville den Ballsaal durch die Glastüren und gesellte sich zu
einer Gruppe junger Gentlemen, die anscheinend, wie es auf Bällen stets der
Fall war, die gegenseitige Gesellschaft brauchten, um den Mut aufzubringen,
eine junge Dame zum Tanz aufzufordern. Er ließ eine Bemerkung darüber fallen,
dass anscheinend keiner von ihnen zum Tanzen aufgelegt sei.
»Na,
dafür hast du ja wohl so gut wie keinen Tanz ausgelassen, Nev«, sagte sein
Cousin Ralph Milne, Viscount Sterne, »obwohl du nur einmal mit deiner Verlobten
getanzt hast. Pech für dich, alter junge, aber ich vermute, dass du häufiger
nicht mit ihr tanzen darfst, oder?«
»Leider
nicht«, pflichtete Neville ihm bei und blickte zur anderen Seite des Ballsaales
hinüber, wo Lauten bei seiner Mutter stand, zusammen mit seiner Tante
väterlicherseits, Lady Elizabeth Wyatt, und seinem Onkel und seiner Tante
mütterlicherseits, dem Duke und der Duchess of Anburey.
Sir
Paul Longford, ein Nachbar und Freund aus Kindertagen, konnte einer solch
ausgezeichneten Gelegenheit für eine Zote nicht widerstehen. »Nun ja, Sterne«,
sagte er so affektiert, wie er nur konnte, »das gilt nur für heute Abend, alter
junge. Nev wird morgen die ganze Nacht mit seiner Braut tanzen, wenn auch nicht
unbedingt auf dem Parkett. Das habe ich aus erster Quelle.«
Die
Männer ergingen sich in neuem männlichem Gelächter, wodurch sie beträchtliche
Aufmerksamkeit auf sich zogen.
»Das
war nicht schlecht, Nev, das musst du zugeben«, sagte sein Cousin und
Brautführer, der Marquis von Attingsborough.
Neville
grinste, nachdem er den Mund gespitzt und mit dem Band seines Monokels gespielt
hatte. »Lass diese Worte irgendeinem weiblichen Wesen zu Ohren kommen, Paul«,
sagte er, »und ich könnte mich verpflichtet sehen, dich zu fordern. Amüsiert
euch, Gentlemen, aber vernachlässigt mir nicht die Damen, wenn ich bitten darf.«
Er
schlenderte auf seine Verlobte zu. Sie trug ein hochtailliertes Kleid aus
hellem Tüll über narzissgelbem Seidentaft und sah so frisch und lieblich aus
wie der Frühling. Es war wirklich zu schade, dass er für den Rest des Abends nicht
mehr mit ihr tanzen durfte. Andererseits jedoch würde es nicht mit rechten
Dingen zugehen, wenn es ihm nicht gelänge, die Situation mehr nach seinem
Geschmack zu gestalten.
Doch
das war momentan noch nicht möglich. Es ließ sich nicht umgehen, eine höfliche
Unterhaltung mit Mr. Calvin Dorsey zu führen, einem freundlichen Bekannten
mittleren Alters von Laurens Großvater, der gekommen war, um Lauren für den
Tanz nach dem Abendessen aufzufordern, und ein paar Minuten blieb, um
Konversation zu treiben. Unmittelbar nach ihm gesellte sich der Herzog
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