01 - Winnetou I
würdest du dich wohl noch eher und noch leichter fortsehnen als er. Darum magst du gehen; aber wir bitten dich, wiederzukommen. Vielleicht hast du dann deinen Sinn geändert und siehst ein, daß du dich auch bei uns Wohlbefinden kannst. Aber wissen möchte ich gern, was du tun wirst, nachdem du in die Städte der Bleichgesichter zurückgekehrt bist.“
„Das weiß ich noch nicht.“
„Wirst du bei den Weißen bleiben, welche den Pfad des Feuerrosses bauen wollen?“
„Nein.“
„Daran tust du recht. Du bist ein Bruder der roten Männer geworden und darfst nicht mittun, wenn die Bleichgesichter uns wieder um unser Land und Eigentum betrügen wollen. Aber da, wohin du willst, kannst du nicht von der Jagd leben wie hier. Du mußt Geld haben und Winnetou sagte mir, daß du arm seiest. Du hättest Geld bekommen, wenn wir Euch nicht überfallen hätten; darum hat mein Sohn mich gebeten, dir Ersatz zu bieten. Willst du Gold?“
Er sah mich bei dieser Frage so scharf und forschend an, daß ich mich wohl hütete, mit einem Ja zu antworten. Er wollte mich auf die Probe stellen.
„Gold?“ sagte ich. „Ihr habt mir keines abgenommen, und so habe ich keines von Euch zu verlangen.“
Das war eine diplomatische Antwort, weder ein Ja noch ein Nein. Ich wußte, daß es Indianer gibt, welche Fundorte edler Metalle kennen, aber niemals einem Weißen einen solchen Ort verraten. Intschu tschuna kannte jedenfalls solche Stellen, und jetzt fragte er mich: „Willst du Gold?“ Welcher Weiße hätte da wohl mit einem direkten Nein geantwortet! Ich habe nie nach Schätzen getrachtet, welche von dem Rost und den Motten gefressen werden; dennoch hat das Geld für mich als Mittel zum guten Zweck einen Wert, den ich gar nicht leugnen will. Diese Anschauung aber konnte der Apachenhäuptling wohl schwerlich begreifen.
„Nein, geraubt haben wir dir keines“, antwortete er; „aber du hast wegen uns nicht bekommen, was du bekommen hättest, und dafür will ich dich entschädigen. Ich sage dir, in den Bergen liegt das Gold in großen Mengen. Die roten Männer kennen die Stellen, wo es zu finden ist; sie brauchen nur hinzugehen, um es wegzunehmen. Wünschest du, daß ich welches für dich hole?“
Hundert andere an meiner Stelle hätten dieses Angebot angenommen und – – – nichts bekommen; das sah ich dem eigentümlich lauernden Blick seiner Augen an; darum sagte ich:
„Ich danke dir! Den Reichtum mühelos geschenkt zu bekommen, das bringt keine Befriedigung; nur das was man sich erarbeitet und erworben hat, besitzt wahren Wert. Wenn ich auch arm bin, so ist das kein Grund zu glauben, daß ich nach meiner Rückkehr zu den Bleichgesichtern Hungers sterben werde.“
Da ließ die Spannung, welche auf seinem Gesicht gelegen hatte, nach; er gab mir die Hand und meinte in einem wirklich wohltuend herzlichen Ton:
„Diese deine Worte sagen mir, daß wir uns nicht in dir getäuscht haben. Der Goldstaub, nach welchem die weißen Goldsucher streben, ist ein Staub des Todes; wer ihn zufällig findet, geht daran zu Grunde. Trachte nie danach, ihn zu erlangen, denn er tötet nicht nur den Leib, sondern auch die Seele! Ich wollte dich prüfen. Gold hätte ich dir nicht gegeben, aber Geld sollst du bekommen, jenes Geld, auf welches du gerechnet hast.“
„Das ist nicht möglich.“
„Ich will es so, also ist es möglich. Wie werden nach der Gegend reiten, in welcher ihr gearbeitet habt. Du wirst die unterbrochene Arbeit vollenden und dann den Lohn bekommen, welcher euch versprochen worden ist.“
Ich sah ihm staunend und wortlos in das Gesicht. Scherzte er? Nein; solchen Spaß treibt ein Indianerhäuptling nicht. Oder sollte dies wieder eine Prüfung sein? Auch dies war unwahrscheinlich.
„Mein junger, weißer Bruder sagt nichts“, fuhr er fort. „Ist ihm mein Anerbieten nicht willkommen?“
„Sogar außerordentlich willkommen! Aber ich kann nicht glauben, daß du im Ernst sprichst.“
„Warum nicht?“
„Ich soll das vollenden, was du an meinen weißen Mitarbeitern mit dem Tod bestraft hast! Ich soll das tun, was du bei unserer ersten Begegnung so streng an mir verurteiltest!“
„Du handeltest ohne Erlaubnis derer, denen das Land gehört; jetzt aber sollst du diese Erlaubnis bekommen. Mein Anerbieten kommt nicht von mir, sondern von meinem Sohn Winnetou. Er hat mir gesagt, daß es uns keinen Schaden macht, wenn du das unterbrochene Werk zu Ende führst.“
„Das ist ein Irrtum. Die Bahn wird gebaut; die Weißen
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