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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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für eine Farbe hat. Vor dem großen Geist sind alle Menschen gleich und die, welche für einander passen und für einander bestimmt sind, die werden sich finden.“
    „Howgh! Die werden sich finden, wenn sie zueinander passen. Mein Bruder hat sehr richtig gesprochen; er redet ja immer recht und gut.“
    Hiermit war dieses Thema beendet, so, wie ich es wünschte, glaubte ich. Daß eine Indianerin erst Christin werden müsse, wenn sie die Squaw eines Weißen sein wolle, das hatte ich in ganz bestimmter Absicht scharf betont. Ich gönnte Nscho-tschi den allerbesten, edelsten roten Krieger und Häuptling; ich aber war nicht nach dem wilden Westen gekommen, um mir eine rote Squaw zu nehmen; ich hatte nicht einmal an eine Weiße gedacht. Mein Lebensplan schloß, wie ich annahm, eine Verheiratung überhaupt aus.
    Welchen Erfolg meine Unterredung mit Intschu tschuna gehabt hatte, erfuhr ich am zweiten Tag darauf. Er führte mich hinunter in das erste Stockwerk, wo ich noch nicht gewesen war. Dort lagen in einem besonderen, kleinen Behältnis unsere Meßinstrumente.
    „Siehe diese Sachen an, ob etwas davon fehlt“, forderte mich der Häuptling auf.
    Ich tat es und fand, daß nichts abhanden gekommen war. Die Gegenstände waren auch nicht beschädigt worden, einige Verbiegungen abgerechnet, welche ich leicht reparieren konnte.
    „Diese Sachen sind für uns Medizin gewesen“, sagte er. „Darum wurden sie so gut verwahrt und aufgehoben. Mein junger, weißer Bruder mag sie nehmen; sie sind wieder sein.“
    Ich wollte mich für diese hochwillkommene Gabe bedanken; er wehrte aber den Dank ab, indem er, mir in die Rede fallend, erklärte:
    „Sie sind dein gewesen, und wir nahmen sie, weil wir dich für unseren Feind hielten; nun wir aber wissen, daß du unser Bruder bist, mußt du alles wieder bekommen, was dir gehörte. Du hast für nichts zu danken. Was wirst du nun mit diesen Gegenständen tun?“
    „Wenn ich von hier fortgehe, nehme ich sie mit, um sie den Leuten wiederzugeben, von denen ich sie habe.“
    „Wo wohnen diese?“
    „In St. Louis.“
    „Ich kenne den Namen dieser Stadt und weiß auch, wo sie liegt. Winnetou, mein Sohn, ist dort gewesen und hat mir von ihr erzählt. Also du willst fort von uns?“
    „Ja, wenn auch nicht sofort.“
    „Das tut uns leid. Du bist ein Krieger unseres Stammes geworden, und ich habe dir sogar die Macht und Ehre eines Häuptlings der Apachen gegeben. Wir glaubten, du würdest für immer bei uns bleiben, wie Klekih-petra bis zu seinem Tod bei uns geblieben ist.“
    „Meine Verhältnisse sind anders, als die seinigen waren.“
    „Kennst du sie denn?“
    „Ja. Er hat mir alles erzählt.“
    „So hat er ein großes Vertrauen zu dir gehabt, obwohl er dich zum erstenmal sah.“
    „Wohl, weil wir aus demselben Land stammten.“
    „Das ist es nicht allein gewesen. Er sprach noch bei seinem Tod mit dir. Ich konnte die Worte nicht verstehen, weil ich die Sprache nicht kenne, in welcher sie gesprochen wurden; aber du hast es uns gesagt, was es war. Du bist nach Klekih-petras Willen der Bruder Winnetous geworden und willst ihn doch verlassen. Ist das nicht ein Widerspruch?“
    „Nein. Brüder brauchen nicht stets beisammen zu sein; sie gehen oft auseinander, wenn sie verschiedene Aufgaben zu erfüllen haben.“
    „Aber sie sehen sich doch wieder?“
    „Ja. Ihr werdet mich wiedersehen, denn mein Herz wird mich zu Euch zurücktreiben.“
    „Das hört meine Seele gern. So oft du kommst, wird große Freude bei uns vorhanden sein. Ich beklage es sehr, daß du von einer anderen Aufgabe sprichst. Könntest du dich denn nicht auch hier bei uns glücklich fühlen?“
    „Das weiß ich nicht. Ich bin so kurze Zeit hier, daß ich diese Frage nicht beantworten kann. Es wird wohl so sein, wie wenn zwei Vögel im Schatten eines Baumes sitzen. Der eine ernährt sich von den Früchten dieses Baumes und bleibt also da; der andere aber braucht eine andere Speise und kann also nicht lange bleiben; er muß fort.“
    „Und doch darfst du glauben, daß wir dir alles geben würden, wonach du verlangst.“
    „Das weiß ich; aber wenn ich jetzt von Speise sprach, so war nicht die Nahrung gemeint, welche der Körper braucht.“
    „Ja, ich weiß es, daß ihr Bleichgesichter auch von einer Speise des Geistes redet; ich habe das von Klekih-petra erfahren. Ihm fehlte diese Speise bei uns; darum war er zuweilen sehr traurig, obwohl er uns das nicht merken lassen wollte. Du bist jünger, als er war, und so

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