01 - Winnetou I
für: schlechten Erfolg haben), und Ihr geht zu Grunde wie ein Fisch, der auf das Land gerät.“
„Wollen das abwarten. Ich bin nicht über den Mississippi gegangen, um ein Westmann zu werden, also habe ich, wenn keiner aus mir wird, nicht etwa eine verlorene Hoffnung zu beklagen. In diesem Fall wäret nur Ihr zu bedauern.“
„Ich? Warum ich?“
„Weil Ihr Euch so viel Mühe gegeben habt, etwas aus mir zu machen. Ich höre schon im voraus die Leute zu mir sagen, daß ich einen Lehrmeister gehabt habe muß, der nichts versteht.“
„Nichts versteht? Ich? Sam Hawkens und nichts verstehen, hihihihi! Ich verstehe alles, alles; ich verstehe es sogar, Euch hier stehen zu lassen, Sir!“
Er ging, dreht sich aber nach einigen Schritten wieder um und sagte:
„Merkt Euch aber das: Wenn Ihr nicht das ganze Geld verlangt, so verlange ich es und stecke es Euch dann in die Tasche! Howgh!“
Nach diesen Worten entfernte er sich mit Schritten, welche gravitätisch sein sollten, aber grad das Gegenteil davon waren. Das liebe Kerlchen wünschte mir alles Gute, also auch das ganze Honorar, woran aber gar nicht zu denken war.
Das, was Intschu tschuna gesagt hatte, bewährte sich: ein roter Krieger bedarf selbst zur weitesten Reise keiner großen Vorkehrungen. Das Leben im Pueblo nahm auch heut seinen gewöhnlichen, ruhigen Verlauf, ohne daß irgend etwas auf unsere baldige Abreise schließen ließ. Auch Nscho-tschi, welche uns, wie stets vorher, beim Essen bediente, war so wie immer. Welche Aufregung und Vorarbeit gibt es bei einer weißen Dame, die einen kleinen Ausflug machen will! Diese Indianerin hatte einen weiten und gefährlichen Ritt vor sich, um die vielgerühmten Herrlichkeiten der Zivilisation kennenzulernen, und doch war nicht die leiseste Spur einer Veränderung an ihr zu bemerken. Ich wurde weder nach etwas gefragt noch sonst zu Rate gezogen oder gar belästigt. Das einzige, was ich vorzunehmen hatte, war die Verpackung der Instrumente, zu welchem Zweck ich von Winnetou eine Anzahl weicher, wollener Decken bekam. Wir saßen, wie gewöhnlich, während des ganzen Abends beisammen, ohne daß ein Wort über den beabsichtigten Ritt gesprochen wurde, und als ich mich schlafen legte, war es mir gar nicht so, als ob ich vor einer so weiten Reise stünde. Die Ruhe und Kaltblütigkeit der Indianer hatte mich angesteckt. Am Morgen erwachte ich nicht von selbst, sondern ich wurde von Hawkens geweckt, welcher mir sagte, daß alles zum Aufbruch bereit sei. Der Tag war kaum angebrochen, ein später Herbstmorgen, dessen Kühle allerdings bewies, daß es Zeit gewesen war, die Reise nicht länger aufzuschieben.
Es gab ein kurzes Frühstück, und dann begleiteten uns sämtliche Bewohner des Pueblo, ‚Kind und Kegel’, wie man sich auszudrücken pflegt, hinab nach dem Fluß, wo eine Zeremonie vorgenommen werden sollte, die ich noch nicht gesehen hatte: der Medizinmann hatte zu erklären, ob die Reise eine glückliche oder unglückliche sein werde.
Zu dieser Feierlichkeit waren auch die in der Nähe des Pueblo sich aufhaltenden Apachen herbeigekommen. Unser großer Ochsenwagen stand noch da; er konnte von uns natürlich nicht mitgenommen werden, weil er zu schwerfällig war und die Schnelligkeit, welche wir uns vorgenommen hatten, beeinträchtigt hätte. Er bildete das Sanktuarium des Medizinmannes, welcher ihn mit Decken verhangen hatte, hinter denen er steckte.
Es wurde ein weiter Kreis um den Wagen gebildet. Als dieser geschlossen war, begann die für die Roten ‚heilige Handlung’, welche ich aber im stillen mit dem Ausdruck ‚Vorstellung’ bezeichnete, mit einem aus dem Wagen tönenden Knurren und Fauchen, als ob mehrere Hunde und Katzen im Begriff ständen, einen Kampf zu beginnen.
Ich stand zwischen Winnetou und seiner Schwester. Die große Ähnlichkeit, welche zwischen den Geschwistern herrschte, trat heute ganz besonders hervor, weil Nscho-tschi nicht ein Frauengewand trug, sondern Männerkleider angelegt hatte. Ihr Anzug glich genau demjenigen ihres Bruders, welcher schon beschrieben worden ist. Auch sie hatte keine Kopfbedeckung und ihr Haar in einen solchen Schopf angeordnet, wie er das seinige. An ihrem Gürtel hingen mehrere Beutel mit verschiedenem Inhalt; in demselben steckten ein Messer und eine Pistole, und über ihrem Rücken hing ein Gewehr. Ihr Anzug war neu und mit bunten Fransen und Stickereien verziert. Sie sah sehr kriegerisch und dabei doch so mädchenhaft und reizend aus, daß alle Blicke auf
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