01 - Winnetou I
kommen ganz gewiß!“
Er sah finster vor sich nieder und gab dann nach einer kleinen Weile zu:
„Du hast recht. Wir können sie nicht hindern, uns aber- und abermal zu berauben. Erst senden sie so kleine Trupps voran, wie der eurige war; die können wir vernichten; aber das ändert nichts, denn später kommen sie in Scharen, vor denen wir zurückweichen müssen, wenn wir uns nicht erdrücken lassen wollen. Aber auch du kannst dies nicht anders machen. Oder meinst du, daß sie nicht kommen werden, wenn du darauf verzichtest, die Strecke vollends zu vermessen?“
„Nein, das meine ich nicht. Wir mögen tun oder lassen was wir sollen, das Feuerroß wird unbedingt durch jene Gegend dampfen.“
„So nimm mein Anerbieten an! Du nützest dir viel und schadest uns nichts. Ich habe mich mit Winnetou besprochen. Wir reiten mit dir, er und ich, und dreißig Krieger werden uns begleiten. Das ist genug, dich während deiner Arbeit zu beschützen und dir bei derselben behilflich zu sein. Dann bringen uns diese dreißig Mann so weit nach dem Osten, bis wir sichere Pfade finden und mit dem Kanu des Dampfes nach St. Louis fahren können.“
„Was sagt mein roter Bruder? Habe ich ihn richtig verstanden? Er will nach dem Osten?“
„Ja, mit dir, ich, Winnetou und Nscho-tschi.“
„Nscho-tschi auch?“
„Meine Tochter auch. Sie möchte gern die großen Wohnplätze der Bleichgesichter sehen und so lange dortbleiben, bis sie ganz so geworden ist wie eine weiße Squaw.“
Ich mochte wohl kein sehr geistreiches Gesicht zu diesen Worten machen, denn er fügte, mich lächelnd ansehend, hinzu:
„Mein junger weißer Bruder scheint überrascht zu sein. Hat er vielleicht etwas dagegen, daß wir ihn begleiten? Er mag es aufrichtig sagen!“
„Etwas dagegen? Wie könnte ich! Ich freue mich im Gegenteil außerordentlich darüber! Unter eurer Begleitung komme ich ohne Gefahr nach dem Osten zurück; schon deshalb muß dieselbe mir willkommen sein. Dazu ist noch zu rechnen, daß die, welche ich so liebgewonnen habe, bei mir bleiben.“
„Howgh!“ nickte er befriedigt. „Du wirst deine Arbeit vollenden, und dann geht es nach dem Osten. Wird Nscho-tschi dort Leute finden, bei denen sie wohnen und lernen kann?“
„Ja. Ich werde das sehr gern besorgen. Aber der Häuptling der Apachen muß dabei in Betracht ziehen, daß die Bleichgesichter nicht die Gastfreundschaft der roten Männer ausüben können.“
„Ich weiß es. Wenn Bleichgesichter nicht als Feinde zu uns kommen, so erhalten sie alles, was sie brauchen, ohne daß sie uns etwas dafür zu geben haben; suchen aber wir sie auf, so müssen wir nicht nur alles bezahlen, sondern doppelt so viel geben, als weiße Wanderer geben würden. Und selbst dann bekommen wir alles schlechter als diese. Nscho-tschi wird also auch bezahlen müssen.“
„Das ist leider wahr, braucht Euch aber nicht zu kümmern. Infolge deines edelmütigen Anerbietens bekomme ich viel Geld ausgezahlt, und ihr werdet dann meine Gäste sein.“
„Uff, uff! Was denkt mein junger, weißer Bruder von Intschu tschuna und Winnetou, den Häuptlingen der Apachen! Ich habe dir vorhin doch gesagt, daß die roten Männer viele Orte kennen, an denen Gold zu finden ist. Es gibt Berge, welche mit goldenen Adern durchzogen sind, und Täler, in denen der herabgewaschene Goldstaub unter der dünnen Erddecke liegt. Wenn wir nach den Städten der Weißen gehen, haben wir zwar kein Geld, aber Gold, so viel Gold, daß niemand uns auch nur einen Schluck Wasser zu schenken braucht. Und wenn Nscho-tschi mehrere Sonnen (Jahre) lang dort bleiben müßte, so würde ich ihr mehr Gold zurücklassen, als sie für diese lange Zeit nötig hat. Nur die Ungastlichkeit der Bleichgesichter zwingt uns, die Fundorte des goldenen Staubes aufzusuchen, sonst aber beachten und benützen wir sie nie. Wann wird mein junger Bruder zum Aufbruch fertig sein?“
„Zu jeder Zeit, sobald es Euch beliebt.“
„So wollen wir nicht zögern, denn es ist die Zeit des späten Herbstes, auf welchen schnell der Winter folgt. Ein roter Krieger braucht selbst für einen so weiten Ritt keine Vorkehrungen zu treffen; wir könnten also schon morgen aufbrechen, falls auch du dazu bereit wärest.“
„Ich bin bereit. Es ist nichts nötig, als kurz zu sagen, was wir mitzunehmen haben, wieviel Pferde und – – –“
„Das wird Winnetou besorgen“, unterbrach er mich. „Er hat schon an alles gedacht, und mein junger, weißer Bruder braucht sich um nichts
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