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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sofort, daß sie Wohlgefallen hatte.“
    „An dem Fell?“
    „Unsinn! An mir natürlich!“
    „Das verrät Geschmack, lieber Sam!“
    „Ja, den hat sie! O, die ist gar nicht ungebildet! Das beweist sie auch schon dadurch, daß sie nicht bloß das Fell gegerbt, sondern einen neuen Anzug für mich daraus gefertigt hat. Wie gefalle ich Euch?“
    „Der reine Stutzer!“
    „Gentleman, nicht wahr? Ja, Gentleman! Sie war ganz weg, als sie mich vorhin in diesem Anzug sah. Könnt Euch darauf verlassen, Sir; ich heirate sie!“
    „Wo steckt Euer alter Anzug?“
    „Habe ihn weggeschmissen.“
    „So, so! Und eines schönen Tages sagtet Ihr einmal, daß Euch Euer Rock nicht für zehntausend Dollars feil sei!“
    „Das war damals. Da gab es keine Kliuna-ai. Die Zeiten ändern sich. Well!“
    Das kleine, bärenlederne Freiersmännchen drehte sich um und stampfte stolz von dannen. Das menschenfreundliche Gefühl, welches er für die indianische Wittib empfand, verursachte mir gar keine moralischen Schmerzen und Bedenken. Man mußte Sam ansehen, um vollständig beruhigt zu sein. Die übermäßig großen Füße, die dünnen, krummen Beinchen, dann das Gesicht, o weh! Er glich einer männlichen Pastrana mit einem Geierschnabel im Gesicht. Das war selbst für eine Indianerin zu toll. Er war noch nicht weit fort von mir, da dreht er sich noch einmal um und rief mir zu:
    „Ist doch ein ganz anderes Ding, dieser neue Habitus, Sir! Bin wie neugeboren. Mag den alten nicht wiedersehen. Sam geht auf Freiersfüßen, hihihihi!“
    Am nächsten Tag begegnete ich ihm unten am Pueblo. Er machte ein nachdenkliches Gesicht.
    „Was gehen Euch für astronomische Gedanken durch den Kopf, lieber Sam?“ fragte ich ihn.
    „Astronomische? Warum grad solche?“
    „Weil Ihr ein Gesicht macht, als ob Ihr einen Kometen oder einen Nebelfleck entdecken wolltet.“
    „Ist auch fast so. Dachte, daß es ein Komet sei, wird aber wohl ein Nebelfleck sein.“
    „Wer?“
    „Sie, die Kliuna-ai.“
    „Ach so! Der Vollmond ist heut schon ein Nebelfleck! Warum?“
    „Hab sie gefragt, ob sie sich wieder einen Mann nehmen will. ‚Nein’ hat sie geantwortet.“
    „Das darf Euch nicht abhalten, vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken. Rom wurde nicht an einem Tag gebaut.“
    „Und mein neuer Anzug nicht in einer Stunde geflickt. Ihr habt recht, Sir; ich gehe noch immer auf Freiersfüßen.“
    Er stieg die Treppe hinan, um seine Kliuna-ai zu besuchen. Am nächsten Tag sattelte ich meinen Rotschimmel, um mit Winnetou auf die Büffeljagd zu reiten, da kam Sam Hawkens zu mir und fragte:
    „Darf ich mit, Sir?“
    „Auf die Büffeljagd? Nein, nein! Ihr jagt doch jetzt ein besseres Wild.“
    „Hält aber nicht stand!“
    „So?“
    „Ja. Und macht Ansprüche.“
    „Wieso?“
    „War wieder bei ihr. Da sagte sie mir, den Anzug habe sie mir auf Befehl Winnetous nähen müssen.“
    „Also nicht aus Liebe?“
    „Es scheint nicht so. Dann meinte sie weiter, das Gerben hätte ich bei ihr bestellt; was ich ihr dafür geben wolle.“
    „Also Bezahlung!“
    „Yes! Ist das ein Zeichen von Liebe?“
    „Weiß nicht. Habe keine Erfahrung in solchen Sachen. Kinder lieben ihre Eltern, und doch müssen diese alles für sie bezahlen. Vielleicht ist dies grad ein Beweis für die Gegenliebe Eures Vollmondes.“
    „Vollmond? Hm! Ist auch möglich, das es nur das letzte Viertel ist. Also Ihr nehmt mich nicht mit?“
    „Winnetou will allein mit mir reiten.“
    „So kann ich nichts dagegen haben.“
    „Ihr würdet auch Euern neuen Jagdrock zu Schanden machen, lieber Sam!“
    „Allerdings, das ist wahr. Blutflecke sind nichts für ein so feines Habit.“
    Er ging, drehte sich aber nochmals um und fragte:
    „Meint Ihr nicht, Sir, daß mein alter Anzug doch viel praktischer war?“
    „Möglich.“
    „Nicht nur möglich, sondern sehr wahrscheinlich.“
    Damit war die Sache für heute abgemacht. Aber in den nächsten Tagen wurde Sam immer nachdenklicher und einsilbiger. Sein Mond schien immer weiter abzunehmen. Da, eines Morgens sah ich ihn aus seiner Wohnung treten – – – – im alten Anzug.
    „Was ist denn das, Sam?“ fragte ich ihn. „Ich denke, Ihr habt dieses Habit abgelegt oder gar ‚weggeschmissen’, wie Ihr Euch ausdrücktet.“
    „War auch so.“
    „Und es doch wieder hervorgesucht!“
    „Yes.“
    „Vor Ärger?“
    „Natürlich! Bin förmlich wütend!“
    „Auf das letzte Viertel?“
    „Ist Neumond geworden. Kann und mag diese Kliuna-ai gar

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