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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sie hatten die Leichen liegen lassen, wie sie lagen. Was von ihnen unterlassen worden war, hatten die Geier und andere Raubtiere übernommen, doch freilich in anderer Weise. Die Knochen lagen umher, oft völlig abgenagt, oft auch mit faulenden Fleischresten behangen; es war eine schaurige Arbeit für mich, Sam, Dick und Will, diese Überreste zu sammeln und in ein gemeinschaftliches Grab zu legen. Die Apachen beteiligten sich natürlich nicht dabei.
    Darüber verging der Tag, und ich fing erst am nächsten Morgen meine Arbeit an. Abgesehen von den Kriegern, welche mir die nötigen Handreichungen taten, half mir besonders Winnetou dabei, und seine Schwester kam kaum von meiner Seite. Es war ein ganz anderes Schaffen als damals, wo ich es mit so unsympathischen Menschen zu tun gehabt hatte. Die Roten, welche ich nicht beschäftigte, streiften in der Gegend herum und brachten dann abends manche Jagdbeute mit.
    Es läßt sich denken, daß ich die Arbeit sehr rasch förderte. Ich erreichte, trotz der Schwierigkeit des Terrains, den Anschluß an die nächste Sektion schon nach drei Tagen und bedurfte nur noch eines vierten Tages, um die Zeichnungen und Notizen zu vervollständigen. Dann war ich fertig, und das war gut, denn der Winter rückte schnell heran; die Nächte waren schon empfindlich kalt, so daß wir die Feuer bis zum Morgen nicht ausgehen ließen.
    Wenn ich gesagt habe, daß die Apachen mir behilflich waren, so kann ich doch leider nicht behaupten, daß sie dies gern getan hätten. Sie gehorchten dabei den Befehlen ihrer Häuptlinge; ohne dieselben hätten sie mich wohl schwerlich unterstützt. Man sah es jedem, den ich beschäftigte, an, daß er sich freute, wenn seine Handreichungen nicht mehr gebraucht wurden. Und wenn wir dann am Abend beisammensaßen, so lagerten die dreißig Indsmen stets entfernter von uns, als nötig war und ihnen die Achtung vor ihren Häuptlingen gebot. Diese letzteren bemerkten dies sehr wohl, schwiegen aber darüber. Sam beobachtete es auch und meinte zu mir:
    „Wollen gar nicht so recht ans Zeug, diese Roten. Es ist und bleibt doch immer wahr: der Rote ist ein tüchtiger Jäger und tapferer Krieger, sonst aber ein Faulpelz. Die Arbeit schmeckt ihm nicht.“
    „Das, was sie für mich tun, strengt nicht im mindesten an und ist gar keine Arbeit zu nennen. Ihr Widerwille hat wohl einen andern Grund.“
    „So? Welchen denn?“
    „Sie scheinen an die Prophezeiung ihres Medizinmannes zu denken und derselben mehr zu glauben als der Eurigen, lieber Sam.“
    „Mag sein, wäre aber dumm von ihnen.“
    „Und sodann ist ihnen meine Arbeit doch jedenfalls ein Greuel. Die hiesige Gegend gehört ihnen, und ich vermesse sie für andere Leute, für ihre Feinde. Daran müßt Ihr auch denken, Sam.“
    „Aber ihre Häuptlinge wollen es doch so!“
    „Allerdings. Das setzt aber nicht voraus oder vielmehr hat nicht zur Folge, daß sie auch damit einverstanden sind. Sie sind im stillen dagegen. Und wenn ich sie beobachte, wie sie beisammen sitzen und leise miteinander sprechen, so sehe ich es ihren Mienen an, daß sie von mir reden, und zwar nichts, worüber ich mich freuen würde, wenn ich es hörte.“
    „Kommt mir auch so vor. Kann uns aber sehr gleichgültig sein. Was sie denken und reden, kann uns nichts schaden. Wir haben es mit Intschu tschuna, Winnetou und Nscho-tschi zu tun, und über diese drei können wir doch wohl nicht klagen.“
    Da hatte er recht. Winnetou und sein Vater waren mir in allem behilflich und von einer wahrhaft brüderlichen Zuvorkommenheit, und die Indianerin sah mir gar jeden Wunsch an den Augen ab. Es war, als ob sie jeden meiner Gedanken erraten könne. Sie tat immer nur, was ich wollte, ohne daß ich es auszusprechen brauchte, und das erstreckte sich auf Dinge und Kleinigkeiten, die kein Mensch sonst zu beachten pflegt. Ich wurde ihr mit jedem Tag mehr zur Dankbarkeit verpflichtet. Sie war eine scharfe Beobachterin und aufmerksame Zuhörerin, und ich bemerkte zu meiner Freude und Genugtuung, daß ich, absichtlich oder unabsichtlich, ihr Lehrer war, von dem sie mit Begierde lernte. Wenn ich sprach, hing ihr Auge an meinen Lippen, und was ich tat, tat sie dann später genau ebenso, selbst wenn es den Gewohnheiten ihrer Rasse widersprach. Sie schien nur für mich da zu sein und war für meine Bequemlichkeit und mein Wohlbefinden viel besorgter als ich selbst, der ich gar nicht daran dachte, es besser haben zu wollen als die andern.
    Also am Ende des vierten Tages war

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