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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Kleine.
    „Es hätte genügt, zu sagen, daß Old Shatterhand uns keinen Schaden bringe. Warum hat Sam Hawkens hinzugefügt, daß uns Schlimmes bevorstehe?“
    „Weil ich es im Loch gesehen habe.“
    Da machte Intschu tschuna eine abwehrende Handbewegung und erklärte:
    „Der Häuptling der Apachen weiß, woran er ist; das mag Sam Hawkens glauben. Es war nicht nötig, von schlimmen Dingen zu sprechen und unsere Leute mit Besorgnis zu erfüllen.“
    „Mit Besorgnis? Die Krieger der Apachen sind doch tapfere Männer, die sich nicht fürchten werden.“
    „Sie fürchten sich nicht; das werden sie beweisen, falls unser Ritt, der ein friedlicher sein soll, uns mit Feinden zusammenführen sollte. Wir wollen ihn nun beginnen.“
    Die Pferde wurden gebracht. Es war eine ziemliche Zahl von Packtieren dabei, von denen einige meine Instrumente zu tragen hatten; die übrigen waren mit Proviant und andern Notwendigkeiten beladen.
    Es herrscht bei den Indianern der Brauch, daß die fortziehenden Krieger von den zurückbleibenden eine Strecke weit begleitet werden. Dies geschah heut nicht, weil Intschu tschuna es nicht gewollt hatte. Die dreißig Roten, welche mit uns ritten, nahmen nicht einmal von ihren Frauen und Kindern Abschied. Sie hatten dies wohl schon vorher getan, denn es öffentlich zu tun, erlaubte ihre Kriegerwürde nicht.
    Einen einzigen gab es, welcher mit Worten Abschied nahm, nämlich Sam Hawkens. Er sah Kliuna-ai unter den Frauen stehen, lenkte, als er bereits im Sattel saß, sein Maultier zu ihr hin und fragte:
    „Hat ‚Mond’ gehört, was ich im Loch der Erde gesehen habe?“
    „Du hast es gesagt, und ich hörte es“, antwortete sie.
    „Ich hätte noch mehr, noch viel mehr sagen können, zum Beispiel auch von dir.“
    „Von mir? Habe ich auch mit im Loch gesteckt?“
    „Ja. Ich sah deine ganze Zukunft vor mir liegen. Soll ich sie dir mitteilen?“
    „Ja, tue das!“ bat sie schnell und eifrig. „Was wird mir die Zukunft bringen?“
    „Sie wird dir nicht etwas bringen, sondern etwas rauben, etwas, was dir sehr wert und teuer ist.“
    „Was ist das?“ erkundigte sie sich ängstlich.
    „Dein Haar. Du wirst es in einigen Monden verlieren und einen fürchterlichen Kahlkopf bekommen, grad so wie der Mond, der ja auch kein Haar hat. Dann werde ich dir meine Perücke schicken. Leb wohl, du trauriger Mondschein, du!“
    Er trieb lachend sein Maultier von dannen, und sie wendete sich ab, sehr beschämt darüber, daß sie sich durch ihre Neugier hatte auf das Eis führen lassen.
    Die Ordnung, in welcher wir ritten, machte sich ganz von selbst. Intschu tschuna und Winnetou mit seiner Schwester und mir waren an der Spitze; dann folgten Hawkens, Parker und Stone, und hinter ihnen kamen die dreißig Apachen, welche miteinander abwechselten, die Packpferde zu leiten.
    Nscho-tschi saß rittlings, also nach Männerart, auf ihrem Pferd. Sie war, wie ich schon wußte und es sich auch im Verlauf unserer Reise zeigte, eine ausgezeichnete und auch ausdauernde Reiterin. Ebensogut wußte sie ihre Waffe zu handhaben. Wer uns begegnet wäre, ohne sie zu kennen, hätte sie für einen jüngerer Bruder Winnetous halten müssen; einem schärferen Auge aber konnte die frauenhafte Weichheit ihrer Gesichtszüge und Körperformen nicht entgehen. Sie war schön, wirklich schön, selbst trotz ihres männlichen Anzuges und ihrer männlichen Art, zu reiten, schön.
    Die ersten Tage unserer Reise verliefen ohne irgendein Ereignis, welches erwähnt zu werden verdiente. Wie bekannt, hatten die Apachen fünf Tage gebraucht, um von dem Ort des Überfalls nach dem Pueblo am Rio Pecos zu kommen. Der Transport der Gefangenen und Verwundeten hatte diesen Ritt verlangsamt. Wir erreichten schon nach drei Tagen die Stelle, an welcher Klekih-petra von Rattler ermordet worden war. Dort wurde halt und Nachtlager gemacht. Die Apachen trugen Steine zu einem einfachen Denkmal zusammen. Winnetou war an diese Stätte noch ernster als gewöhnlich gestimmt. Ich erzählte ihm, seinem Vater und seiner Schwester, was Klekih-petra mir über sein früheres Leben mitgeteilt hatte.
    Am nächsten Morgen ging es weiter, bis in die Gegend, wo unsere Meßarbeit so plötzlich durch den Überfall unterbrochen worden war. Die Pfähle steckten noch, und ich konnte sofort beginnen, tat dies aber nicht, weil es zunächst noch Notwendigeres zu tun gab.
    Es war nämlich den Apachen damals nach dem Kampf nicht eingefallen, die toten Weißen und Kiowas zu begraben, sondern

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