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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gestern erklärt hatte. Sam Hawkens hatte gestern abend sich nicht geirrt, sondern wirklich zwei Augen gesehen, den Späher aber durch sein falsches Verhalten vertrieben, noch ehe der Schuß abgefeuert wurde. Wir waren also belauscht worden. Santer beobachtete uns, um einen Augenblick zu erwarten, an welchem er den, auf den er es abgesehen hatte, allein abfangen könne. Aber diese Stelle war so weit von unserm Lager entfernt. Wie konnte er uns da beobachten?
    Ich betrachtete die Bäume. Sie waren zwar sehr hoch, doch nicht zu stark und leicht zu erklettern. Die Rinde des einen zeigte Risse, welche nur von Sporen eingeritzt sein konnten. Man war also hinaufgeklettert, und von dieser Höhe aus konnte man unbedingt, wenn nicht das Lager selbst, aber doch jeden, der dasselbe verließ, recht gut sehen. Himmel! Welcher Gedanke kam mir jetzt! Wovon hatten wir gestern abend gesprochen, ehe Sam die Augen entdeckte? Davon, daß Intschu tschuna heut fortgehen wollte, um mit seinen Kindern Gold zu holen! Das hatte der Lauscher gehört. Heut früh war die Eiche von ihm bestiegen worden, und da hatte er die drei Erwarteten vorüberkommen sehen. Kurz darauf war er ihnen mit seinen drei Spießgesellen gefolgt. Winnetou in Gefahr! Nscho-tschi und ihr Vater auch! Ich mußte fort, augenblicklich fort und möglichst schnell hinter den Buschkleppern her. Ich durfte mir gar nicht Zeit nehmen, vorher nach unserm Lager zurückzukehren, um dasselbe zu alarmieren. Rasch band ich eins der vier Pferde los, zog es aus dem Gebüsch ins Freie, schwang mich auf und galoppierte auf ihrer eigenen Fährte, welche sich bald mit den Spuren der Häuptlinge vereinigte, den Halunken nach.
    Dabei suchte ich nach Anhaltspunkten, zu erraten, wo, falls ich diese Fährte verlieren sollte, der Fundort des Goldes gesucht werden müsse. Winnetou hatte von einem Berg, den er Nugget-tsil nannte, gesprochen. Nuggets sind Goldkörner, welche man in verschiedener Größe findet; tsil ist ein Apachewort und bedeutet Berg. Nugget-tsil heißt also Nuggetberg. Der Ort lag sonach jedenfalls hoch. Ich musterte die Gegend, durch welche ich jagte. Nördlich von mir, grad in meiner Richtung, lagen einige beträchtliche Höhen, welche mit Wald bewachsen waren. Eine von ihnen mußte der Nuggetberg sein; das war für mich in diesem Augenblick zweifellos.
    Der alte Gaul, auf welchem ich saß, war mir nicht schnell genug. Ich riß im Vorüberjagen eine Rute von einem Busch und trieb ihn mit derselben an. Er tat, was seine Kräfte vermochten, und die Ebene verschwand hinter mir; die Berge öffneten sich. Die Spur führte zwischen zwei derselben hinein, doch konnte ich sie nach einiger Zeit nicht mehr erkennen, denn die Bergwasser hatten hier viel grobes Steingeröll von den Höhen geschwemmt. Ich stieg aber trotzdem nicht ab, denn es verstand sich ganz von selbst, daß die Gesuchten hier weiter, das Tal hinauf, gegangen waren.
    Später aber öffnete sich rechts eine Seitenschlucht, deren Grund ebenso steinig war. Jetzt galt es, zu erfahren, ob sie da rechts abgewichen oder geradeaus weitergegangen waren. Ich sprang aus dem Sattel und untersuchte das Geröll; es wurde mir nicht leicht, die Spur zu entdecken; ich fand sie aber doch; sie führte in die Schlucht hinein. Ich stieg wieder auf und folgte ihr. Bald aber teilte sich der Weg, und ich mußte abermals absteigen. Voraussichtlich geschah dies später wieder, und da konnte mir das Pferd nur hinderlich sein. Ich band es also an einen Baum und eilte zu Fuß weiter, nachdem ich gesehen hatte, wohin die Fährte wies.
    Ich hastete in einem engen, felsigen Gerinne weiter, in welchem sich jetzt kein Wasser befand. Die Angst trieb mich zu einer Eile an, welche mir nach und nach den Atem raubte. Auf einer scharfkantigen Höhe angekommen, mußte ich stehenbleiben, um die Lunge ruhiger werden zu lassen; dann ging es weiter, drüben ein Stück hinab, bis die Spur plötzlich links in den Wald einbog. Ich rannte mehr, als ich lief, unter den Bäumen hin. Sie standen erst dicht beisammen, dann weiter auseinander, bis es so licht vor mir wurde, daß ich annahm, einen freien Platz vor mir zu haben. Noch hatte ich denselben nicht erreicht, da hörte ich mehrere Schüsse fallen. Einige Augenblicke darauf erscholl ein Schrei, der mir wie ein Degen durch den Körper drang; es war der Todesschrei der Apachen.
    Nun rannte ich nicht nur, sondern ich schnellte mich förmlich weiter, in langen Sätzen wie ein Raubtier, welches sich auf seine Beute werfen

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