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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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will. Wieder ein Schuß und noch einer – das war das Doppelgewehr Winnetous; ich kannte seinen Knall. Gott sei Dank! Er lebte also noch; denn wer tot ist, kann nicht schießen. Ich hatte nur noch einige Sprünge zu tun, dann hatte ich die Lichtung erreicht und blieb unter dem letzten Baum stehen, denn was ich sah, fesselte meinen Fuß förmlich an den Boden.
    Die Lichtung war nicht groß. Fast mitten auf ihr lagen Intschu tschuna und seine Tochter. Ob sie noch lebten, sich noch bewegten, konnte ich zunächst nicht bestimmen. Unweit davon befand sich ein kleiner Felsblock, hinter welchem Winnetou steckte; er war soeben beschäftigt, sein abgeschossenes Gewehr wieder zu laden. Links von mir standen zwei Kerls, von Bäumen beschützt, mit angelegten Gewehren bereit, sofort zu schießen, sobald sich Winnetou eine Blöße geben werde. Rechts von mir schlich ein dritter vorsichtig unter den Bäumen hin, um Winnetou zu umgehen und ihm in den Rücken zu kommen. Der vierte lag grad vor mir, tot, durch den Kopf geschossen.
    Die zwei waren für den Augenblick dem jungen Häuptling gefährlicher als der dritte. Ich nahm den Bärentöter auf und schoß sie beide nieder; dann sprang ich, ohne mir vorher Zeit zum Laden zu nehmen, hinter dem dritten her. Er hatte meine Schüsse gehört und sich rasch umgedreht. Er sah mich kommen, zielte auf mich und drückte ab. Ich sprang zur Seite; er traf mich nicht; da gab er sein Spiel verloren und floh in den Wald hinein. Ich eilte ihm nach, denn es war Santer; ich wollte ihn fangen. Aber die Entfernung zwischen ihm und mir war so groß gewesen, daß ich ihn zwar am Rand der Lichtung hatte sehen können, im Wald jedoch nicht mehr sah. Ich mußte mich also nach seinen Fußeindrücken richten, da konnte ich leider nicht so schnell hinter ihm her, wie ich wollte. Es war nicht möglich, ihn einzuholen; darum kehrte ich schon nach kurzer Zeit wieder um, zumal ich mir sagte, daß Winnetou mich vielleicht brauchen werde.
    Er kniete, als ich die Waldblöße wieder erreichte, bei seinem Vater und seiner Schwester, ängstlich suchend, ob noch Leben in ihnen sei. Als er mich kommen sah, stand er für einen Augenblick auf. Seine Augen hatten einen Ausdruck, den ich niemals vergessen werde. Es sprach ein fast wahnsinniger Grimm und Schmerz aus ihnen.
    „Mein Bruder Old Shatterhand sieht, was geschehen ist. Nscho-tschi, die schönste und beste der Apachentöchter, wird nicht nach den Städten der Bleichgesichter gehen; es ist noch ein wenig Leben in ihr, aber sie wird wohl ihre Augen nicht wieder öffnen.“
    Ich war keines Wortes fähig; ich konnte nichts sagen und nichts fragen. Wonach hätte ich auch fragen sollen? Ich sah ja, wie es stand! Sie lagen in einer tiefen Blutlache nebeneinander, Intschu tschuna mitten durch den Kopf und ‚Schöner Tag’ durch die Brust geschossen. Er war sofort tot gewesen; sie atmete noch, schwer und röchelnd, während die schöne Bronze ihres Gesichtes immer matter und matter wurde. Die vollen Wangen fielen ein, und der Ausdruck des Todes breitete sich über die mir so teuren Züge.
    Da bewegte sie sich leise. Sie wendete den Kopf nach der Seite, wo ihr Vater lag, und öffnete langsam die Augen. Sie sah Intschu tschuna im Blute liegen und erschrak auf das heftigste, nur daß bei ihrer Mattigkeit der Schreck nicht den lebhaften Ausdruck wie sonst finden konnte. Sie schien nachzusinnen; dann kam sie zum Bewußtsein dessen, was geschehen war, und fuhr sich mit dem kleinen Händchen nach dem Herzen. Sie fühlte das warme, von dort entronnene Blut und stieß einen tiefen, röchelnden Seufzer aus.
    „Nscho-tschi, meine gute, einzige Schwester!“ klagte Winnetou mit einem Ausdruck seiner brechenden Stimme, der unmöglich in Worten wiedergegeben werden kann.
    Da erhob sie den Blick zu ihm. „Winnetou – mein – Bruder –!“ flüsterte sie. „Räche – räche – mich!“
    Dann glitt ihr Auge von ihm zu mir herüber, und ein frohes, aber schnell ersterbendes Lächeln spielte um ihre erblichenen Lippen.
    „Old – Shatter – hand!“ hauchte sie. „Du – bist – da. Nun sterbe ich – so – – –“
    Mehr hörten wir nicht, denn der Tod ließ sie nicht aussprechen, sondern schloß ihr für immer den Mund. Es war, als wolle mir das Herz zersprengen; ich mußte mir Luft machen, sprang auf, denn wir hatten uns bei ihr niedergekniet, und stieß einen lauten, lauten Schrei aus, dessen Echo von den Wänden der benachbarten Berge widerhallte. Winnetou

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