01 - Winnetou I
herbeizuholen. Jetzt werfen sich die Apachen auf unser Lager und – – – finden keinen Menschen, hihihihi! Sie sind natürlich ganz erstaunt und brennen das Feuer wieder an, um nach uns zu suchen. Da sehen wir so deutlich, wie sie uns vorher gesehen haben, und nun wird der Spieß umgedreht: sie sind es, welche überfallen werden. Welcher Schreck für sie! Das ist ein Coup, von dem man noch lange Zeit erzählen wird. Und dabei wird man sagen: Sam Hawkens war's, der sich das ausgesonnen hat, wenn ich mich nicht irre.“
„Ja, das wäre wohl recht gut, wenn es grad so und nicht anders würde, als wie Ihr es Euch denkt.“
„Es wird nicht anders; will schon dafür sorgen.“
„Und aber dann? Dann lassen wir die Apachen heimlich frei?“
„Wenigstens Intschu tschuna und Winnetou.“
„Die andern nicht?“
„So viele von ihnen, wie wir können, ohne daß wir uns verraten.“
„Wie wird es dann den übrigen ergehen?“
„Gar nicht sehr schlimm, Sir; das kann ich Euch versichern. Die Kiowas werden im ersten Augenblick weniger an diese denken als daran, die Flüchtlinge wieder einzufangen. Und sollten sie sich wirklich blutgierig zeigen, so ist Sam Hawkens auch noch da. Überhaupt, was nachher zu geschehen hat, darüber wollen wir uns die Köpfe nicht zerbrechen; wenigstens Ihr könnt von dem Eurigen eine bessere Anwendung machen. Was später kommt, das wird sich eben auch erst später zeigen. Jetzt haben wir uns vor allen Dingen nach einem Platz umzusehen, der für die Ausführung unseres Vorhabens paßt, denn nicht jeder Ort ist zu so etwas geeignet. Das werde ich morgen früh besorgen. Gesprochen haben wir heute genug; von morgen an werden wir handeln.“
Er hatte recht. Reden und weitere Pläne schmieden war jetzt überflüssig; wir konnten hier jetzt nichts anderes tun, als die Ereignisse abzuwarten.
Die heutige Nacht war ziemlich ungemütlich. Es erhob sich ein Wind, der nach und nach zum Sturm wurde, und gegen Morgen trat eine Kühle ein, welche für diese Gegend eine Seltenheit war. Wir befanden uns ungefähr auf der Breite von Damaskus und wurden doch von der Kälte aufgeweckt. Sam Hawkens prüfte den Himmel und meinte dann:
„Heut wird in dieser Gegend wahrscheinlich etwas geschehen, was hier sehr selten vorkommt; es wird nämlich regnen, wenn ich mich nicht irre. Und das ist sehr vorteilhaft für unsern Plan.“
„Wieso?“ fragte ich.
„Könnt Euch das nicht denken? Schaut doch umher, wie das Gras niedergelagert ist! Wenn die Apachen da vorüberkommen, müssen sie doch gleich sehen, daß hier mehr Menschen und Tiere gewesen sind, als wir eigentlich zählen. Kommt aber ein Regen, so richtet sich das Gras rasch wieder auf, während die Spuren dieses Lagers sonst noch nach drei oder vier Tagen zu sehen wären. Ich werde mich mit den Roten so rasch wie möglich davonmachen.“
„Um eine Stelle zum Überfall zu suchen?“
„Ja. Könnte die Kiowas zwar einstweilen hier lassen und sie dann holen, aber je eher sie fortgehen, desto eher verschwinden die Spuren. Ihr könnt inzwischen ruhig weiterarbeiten.“
Er teilte dem Häuptling seine Absicht mit, und dieser ging auf dieselbe ein. Nach kurzer Zeit ritten die Indianer mit Sam und seinen beiden Gefährten fort. Es versteht sich ganz von selbst, daß der Platz, welchen er sich auswählen wollte, an der Linie liegen mußte, welcher wir als Feldmesser zu folgen hatten. Das Gegenteil hätte uns Zeit gekostet und den Apachen auffallen müssen.
Wir folgten den Vorangerittenen langsam, so wie unsere Arbeit nach und nach vorwärts schritt. Gegen Mittag erfüllte sich Sams Vorhersage; es regnete, und zwar in einer Weise, wie es nur in jenen Breiten regnen kann, nämlich wenn es überhaupt da einmal regnet. Es schien wie ein See vom Himmel herabzustürzen.
Mitten in diesem Wasserguß kam Sam mit Dick und Will zurück. Wir sahen sie nicht eher, als bis sie sich uns auf vielleicht zwölf oder fünfzehn Schritte genähert hatten, so dicht fiel der Regen. Sie hatten einen passenden Ort gefunden. Parker und Stone sollten uns denselben zeigen; Hawkens aber ging, nachdem er sich mit Proviant versehen hatte, trotz des Unwetters fort, um sein Späheramt anzutreten. Er wollte seine Aufgabe zu Fuß lösen, weil er sich da besser verstecken konnte, als wenn er sein Maultier mitgenommen hätte. Als er hinter dem dichten Vorhang des Regens verschwand, hatte ich das Gefühl, als ob die Katastrophe sich uns nun im Eilschritt nähere.
So ungewöhnlich der
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