01 - Winnetou I
Äuglein blickten außerordentlich heiter über den dunklen Bartwald herüber.
„Alles gelungen?“ fragte ich. „Ich sehe es Euch an, alter, lieber Sam.“
„So?“ lachte er. „Wo steht das geschrieben? Auf meiner Nase oder nur in Eurer Einbildung?“
„Einbildung? Pshaw! Wer Eure Augen sieht, der kann nicht zweifeln.“
„So, also meine Augen verraten mich. Gut für ein anderes Mal, daß ich das weiß. Aber Ihr habt recht. Es ist mir gelungen, weit, weit besser gelungen, als ich denken konnte.“
„So habt Ihr die Kundschafter gesehen?“
„Kundschafter? Gesehen? Weit mehr, weit mehr! Nicht bloß die Kundschafter, sondern die ganze Schar, und nicht nur gesehen, sondern sogar gehört, belauscht habe ich sie.“
„Belauscht? Ah, so sagt schnell, was Ihr da erfahren habt!“
„Nicht jetzt und nicht hier. Nehmt Eure Instrumente zusammen und geht zum Lager! Ich komme nach; muß nur vorher schnell hinüber zu den Kiowas, um ihnen zu sagen, was ich erfahren habe und wie sie sich verhalten sollen.“
Er schritt oberhalb des Teiches auf den Bach zu, sprang hinüber und verschwand dann jenseits unter den Bäumen des Waldes. Wir packten unsere Siebensachen zusammen und suchten das Lager auf, wo wir auf Sams Wiederkehr warteten. Wir hatten ihn weder kommen sehen noch kommen hören, aber ganz plötzlich stand er mitten unter uns und sagte in übermütigem Ton:
„Da habt Ihr mich, Mylords! Habt ihr denn weder Augen noch Ohren? Euch kann ja ein Elefant überrumpeln, dessen Schritte man eine Viertelstunde weit hört!“
„Jedenfalls seid Ihr aber nicht wie ein solcher Elefant aufgetreten“, antwortete ich.
„Mag sein. Wollte euch nur zeigen, wie man an die Menschen kommt, ohne daß sie es bemerken. Habt ruhig dagesessen und nicht gesprochen; seid ganz still gewesen und habt mich doch nicht gehört, als ich herangeschlichen kam. So, grad so war es gestern auch, als ich mich an die Apachen machte.“
„Erzählt uns das, erzählt!“
„Well, sollt es hören. Muß mich aber dazu setzen, denn ich bin sehr müde. Meine Beine sind an das Reiten gewöhnt und wollen sich auf das Laufen nicht mehr einlassen. Ist auch nobler, zu der Kavallerie als zur Infanterie zu gehören, wenn ich mich nicht irre.“
Er setzte sich in meine Nähe, blinzelte uns rundum einen nach dem andern an und sagte dann, sehr bedeutsam mit dem Kopf dazu nickend:
„Also, heute abend geht der Tanz los!“
„Heute abend schon?“ fragte ich, halb überrascht und halb erfreut, weil ich mir die Entscheidung bald herbeigewünscht hatte. „Das ist gut; sehr gut!“
„Hm, Ihr scheint ja ganz erpicht darauf zu sein, in die Hände der Apachen zu geraten! Aber recht habt Ihr; es ist gut, und ich freue mich auch darüber, daß wir nicht länger zu warten brauchen. Ist kein sehr angenehmes Ding, auf etwas warten zu müssen, was doch einen andern Ausgang nehmen kann, als man denkt.“
„Als man denkt! Ist etwa ein Grund eingetreten, Besorgnis zu hegen?“
„Ganz und gar nicht. Grad im Gegenteil! Bin nun erst recht überzeugt, daß alles gut ablaufen wird. Aber ein erfahrener Mann weiß, daß aus dem besten Kind später ein schlimmer Strolch werden kann. So ist's auch mit den Begebenheiten. Die schönste Sache kann durch irgendeinen Zufall auf einen falschen Weg geraten.“
„Aber das ist doch hier nicht zu befürchten?“
„Nein. Nach allem, was ich gehört habe, wird der Erfolg ein ganz vorzüglicher sein.“
„Was habt Ihr denn gehört? Erzählt doch nur, erzählt!“
„Sachte, sachte, mein junger Sir! Alles der Reihe nach. Was ich gehört habe, kann ich jetzt noch nicht sagen, weil Ihr doch wissen müßt, was vorher geschehen ist. Ich ging mitten im Regenwetter fort; brauchte sein Ende nicht abzuwarten, weil der Regen nicht hier durch meinen Rock dringen kann, auch der stärkste nicht – hihihihi! Bin bis beinahe zu der Stelle gelaufen, wo wir lagerten, als die beiden Apachen zu uns kamen; da aber mußte ich mich verstecken, denn ich sah drei Rote, welche da herumschnüffelten. Sind Apachenkundschafter, dachte ich, und laufen nicht weiter, weil sie nur bis hierher gehen sollen. So war es auch. Sie suchten die Gegend ab, ohne meine Spur zu finden, und setzten sich dann unter die Bäume, weil es außerhalb des Waldes zum Sitzen zu naß war. Da saßen sie wartend wohl an die zwei Stunden. Hatte mich auch unter einen Baum gemacht und wartete auch zwei Stunden lang. Mußte doch wissen, was es nun geben würde. Da kam ein
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