010 - Der Derbysieger
dann. »Ihr Großvater bleibt doch sicher noch längere Zeit auf dem Lande?«
»Ja, bis zu den Rennen in Epsom. Er hat Donavan für das Derby gemeldet.«
»Das trifft sich gut«, erwiderte Milton vergnügt. »Und nun werden wir einen Geldschrank mieten.«
Sie schaute ihn wieder verwundert an.
»Ja, wir mieten einen Geldschrank«, wiederholte er, »und ich schicke ihn in Ihre Wohnung. Ich kenne eine gute Firma, wo man sie billig haben kann.«
»Ich brauche doch keinen Safe! Ich habe ja gar nichts hier, was ich darin einschließen könnte.«
»Aber wenn ich Ihnen einen Safe schicke, haben Sie doch nichts dagegen, daß er in Ihr Zimmer gestellt wird?«
»Nein, das gerade nicht«, entgegnete sie lächelnd. »Aber es ist doch direkt Geldverschwendung.«
»Sie vergessen, daß ich ein Detektiv bin, Miss President. Das ist eine ganz interessante, manchmal kostspielige Beschäftigung, und Sie können sich wohl denken, daß ich nicht Geldschränke miete, wenn ich nicht eine ganz besondere Veranlassung dazu habe. Wenn Sie die Sache noch nicht ganz durchschauen, müssen Sie mir eben Vertrauen schenken. Jeder Detektiv hat seine Geheimnisse.«
»Gut, dann werde ich tun, was Sie wollen.« »Ich habe aber noch eine andere Bitte. Würden Sie so liebenswürdig sein und mir Ihren Hausschlüssel geben, damit ich während Ihrer Abwesenheit die Verwaltung des Hauses übernehmen kann?«
»Selbstverständlich.«
»Ich werde mich um alles kümmern. Und machen Sie sich wegen des Einbruchs keine bösen Gedanken mehr.«
»In letzter Zeit sind aber so viele Einbrüche vorgekommen -die ganzen Zeitungen sind voll davon«, sagte sie nervös. »Ich habe auch gelesen, daß ein Schwerverbrecher ausgebrochen ist.«
»Das ist alles nicht so gefährlich. Wir werden ja bald sehen, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Und was den entsprungenen Sträfling angeht -« Plötzlich hielt er ein. »Da kommt mir eine famose Idee!« Er lachte, sagte ihr aber nicht, was für ein guter Gedanke ihm gekommen war, sondern änderte das Gesprächsthema und fragte nach Eric Stanton.
Sie äußerte sich nur sehr vorsichtig über den jungen Mann, und aus ihrer Zurückhaltung erriet Milton alles, was er wissen wollte.
Als er in die Stadt ging, sprach er bei der Firma vor, die Geldschränke zu vermieten hatte, und suchte den größten aus, den er finden konnte. Der Inhaber des Geschäfts billigte die Wahl nicht.
»Das ist nur eine ganz leichte Konstruktion«, sagte er und klopfte dabei an die Wände. »Der Kasten ist weder feuer-noch diebessicher. Eigentlich nur ein Schaustück zum Ausstellen. Für den praktischen Gebrauch ist er in keiner Weise geeignet.«
»Aber es ist gerade der richtige Schrank für mich«, erklärte Milton. »Hübsch und leicht. Schicken Sie ihn noch heute so schnell wie möglich an die Adresse, die ich Ihnen angegeben habe.«
Am nächsten Morgen suchte er Miss President wieder auf. Sie lachte, als er kam, aber sie gestand ihm offen, daß sie etwas enttäuscht sei.
»Der Schrank nimmt entsetzlich viel Platz ein und macht sich sehr schlecht in meinem Schlafzimmer.«
»Darf ich mir das Möbel einmal ansehen?«
Ihr Mädchen führte ihn in den Raum. Der Safe war tatsächlich viel zu groß für das kleine Zimmer. Man sah kaum etwas anderes als das große, grünlackierte Möbel mit den goldenen Verzierungen.
»Großartig«, sagte Milton und betrachtete ihn voll Bewunderung. Dann wandte er sich an das Mädchen. »Sind Sie Amerikanerin?«
Sie wurde ein wenig rot.
»Ja - aber warum fragen Sie danach? Ich kam vor drei Monaten aus den Staaten.«
»Sind Sie früher in Europa gewesen?«
»Nein.«
»Sie haben auch noch nicht in Frankreich gelebt?«
»Nein«, entgegnete sie leichthin.
Als er die Treppe hinunterging, schien er angestrengt über diese Antwort nachzudenken.
Unten fragte er Miss President unvermittelt nach dem Namen ihres Dienstmädchens.
»Ich habe sie erst vierzehn Tage bei mir«, erklärte Mary. »Sie wurde mir von Sir George Frodmere empfohlen.«
»Dann kennen Sie Sir George also doch gut.«
»Nur oberflächlich.« Sie runzelte leicht die Stirn. »Die Sache kam auch ganz zufällig. Mein Mädchen kündigte plötzlich, und er empfahl mir diese neue Kraft so dringend, daß ich versprach, sie einzustellen. Unser eigenes Mädchen bekam eine so gute Stelle, daß ich sie nicht davon abhalten wollte.«
»Können Sie mir vielleicht sagen, wer sie eingestellt hat?«
»Ja, sie gab mir die Adresse, damit ich ihre Post nachschicken
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