0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten
sehen.
»Schaffen wir’s in zehn Minuten?« fragte Nicole.
»Warum so eilig?«
»Mir ist kalt.«
Nicole hatte sich nicht von ihrem Mantel getrennt und bibberte in der Kälte.
Dir wird schon noch heiß werden, wollte Zamorra antworten, doch er verbiß sich diese Feststellung in der letzten Sekunde.
»Wolltest du nicht etwas sagen, Chef?«
»Hm. In zehn Minuten läßt sich die Strecke schaffen. Außerdem haben wir Glück. Die Fenna sind fast alle noch mit der Eindämmung des Brandes beschäftigt. Ich sehe fast nur Frauen in ihrem Lager.«
Sie machten, daß sie vorankamen.
Nicole sah die drei aufgespießten Schädel der Hingerichteten als erste. Sie blieb erschrocken stehen und wies stumm nach oben.
»Narko springt nicht gerade zimperlich mit seinen Leuten um«, meinte Zamorra. »Das erklärt auch, warum es seine Leute gar nicht so eilig haben, ins Lager zurückzukommen. Im Grunde genommen könnte ihnen dieser Brand doch egal sein. Eine Gefahr, daß das Feuer auf die Siedlung übergreift, besteht nicht. Es liegt zu viel Brachland dazwischen.«
Jetzt hatte es seine Berechtigung, daß sie nur mehr flüsterten. Sie hatten sich dem Tor bis auf die letzte Biegung genähert. Zamorra lugte um die Ecke.
»Nur zwei Wachtposten«, raunte er und duckte sich gleichzeitig zusammen wie eine Raubkatze. »Ich muß sie unschädlich machen, wenn wir hineinwollen.«
»Ich gehe mit.«
»Du bleibst hier!«
Ohne eine weitere Erwiderung abzuwarten, drückte sich Zamorra eng an die Palisadenwand und wurde eins mit der Dunkelheit der Einfriedung. Nur gut, daß der Qualm die schmale Mondsichel und die Sterne verbarg, die hier in der klaren Nachtluft heller strahlten als anderswo. Es war die Zeit kurz nach Neumond.
Nur wenige Meter noch bis zum ersten Posten. Der Fenna wandte ihm den Rücken zu. Seiner ganzen gebückten Haltung nach nahm Zamorra an, daß er einen Greis vor sich hatte.
Der andere dagegen war noch ein Jüngling. Sein Gesicht war noch nicht hinter einem wildwuchernden Bart versteckt. Narkos letztes Aufgebot! schoß es Zamorra durch den Kopf. Diese beiden Kerle sollten keine ernsthaften Gegner für mich sein.
Sehr aufmerksam waren sie beide nicht. Wer weiß, wie lange sie sich in dieser klammen Kälte schon die Beine in den Bauch standen.
Der Junge hatte sich abgewandt, der Alte stierte den matschigen Boden zu seinen Füßen an und hüstelte.
Zamorra war leise wie ein Blatt, das losgerissen vom Ast im Herbstwind treibt. Schon als Kind hatte er seine Altersgenossen im geräuschlosen Anschleichen übertroffen, und er hatte seither nichts von dieser Kunst verlernt.
In der Linken hielt er die Streitaxt, die Rechte ließ er gezielt seitlich gegen den dürren Nacken des Alten schnellen. Nicht zu heftig, denn so ein Schlag konnte auch mörderische Folgen haben.
Der alte Fenna sackte in Zamorras ausgestreckte Arme. Der Dämonenjäger ließ den reglosen Körper vorsichtig zu Boden gleiten.
Der Junge starrte immer noch aufs Meer hinaus und hing seinen eigenen Gedanken nach. Was in seinem Rücken vorgegangen war, davon hatte er nichts bemerkt.
Sekunden später bemerkte er überhaupt nichts mehr. Nur einen federnden Schmerz an seinem Hals, der ihn in tiefe Bewußtlosigkeit katapultierte.
Zamorra untersuchte die beiden kurz im Schein der Lagerfeuer aus dem Wehrdorf. Sie würden wieder wach werden. Mit einem fürchterlichen Brummschädel zwar, doch Kopfschmerzen dauerten keine Ewigkeit. Schon gar nicht bei harten Fenna-Schädeln.
Nicole kam zögernd heran, während Zamorra die beiden Männer an die Palisadenwand schleifte und sie dort mit dem Rücken dagegenlehnte.
»Hilf mir, sie auszuziehen«, forderte Zamorra halblaut.
»Iiii - sie stinken.«
Trotzdem fügte sie sich.
»Nur die Felle«, sagte Professor Zamorra.
»Du meinst, wir sollen uns damit maskieren?«
»Das meine ich tatsächlich. Und vergiß nicht, dir einen Helm überzustülpen. Wenn wir uns zwischen den Feuern halten, könnten wir bei dieser Dunkelheit gerade noch als Wikinger durchgehen.«
Zamorra legte sich eines der Felle über, suchte sich den passenden Helm aus und nahm noch einen Schild auf, der den beiden Fenna-Kriegern gehört hatte. Die Streitaxt ließ er liegen. Der Junge hatte ein Beidhandschwert bei sich, und das nahm Zâmorra.
»Können wir?« fragte er leise zu Nicole hinüber, die in ihrem neuen Kopfschmuck reichlich grotesk aussah. Genauer durfte sie niemand betrachten.
Professor Zamorra wollte keinen dieser Fenna mehr verletzen
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