0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten
müssen. Sie waren nur hilflose Puppen in den Händen ihres Beherrschers. Dann gab es da noch etwas - das Zeitparadoxon…
Es bestand die Gefahr, daß er eine ganze finnische Sippe der Neuzeit auslöschte, wenn er einen ihrer Stammväter töten würde. Eine unmögliche Vorstellung.
»Wir können«, antwortete Nicole ebenso léise. Sie hatte ihre Axt wieder aufgenommen.
Niemand sah sich nach ihnen um, als sie das Lager betraten. Ungeschoren erreichten sie auch den Sakralbau in der Mitte, aus dessen Eingang ein schmaler Lichtstreifen fiel.
Zamorra nahm das Amulett vom Hals und wickelte die Kette um die Hand, die auch sein Schwert hielt. Das Silber schimmerte düster auf. Ein untrügliches Zeichen dafür, daß Narko sich in seinem Tempel aufhielt. Zamorra streifte mit der Klinge den schweren Vorhang zur Seite.
Da sah er Narko vor einem alabasterweißen Sockel knien, und auf dem Sockel stand der Gral. Das riesige Zyklopenauge verfärbte sich blutrot. Narko, der Dämonenpriester, zuckte zusammen, als hätte man ihm ein Messer in den Rücken gerammt. Seine weißen Murmelaugen richteten sich langsam auf den eintretenden Zamorra.
Die Schrecksekunde währte nur sehr kurz. Dann sprang er hoch und zog gleichzeitig sein Kurzschwert aus der Scheide. Am Griff funkelten die Edelsteine im Schein der über den Raum verteilten Öllampen.
»Zamorra…!«
»Du hättest deine Leute hierbehalten sollen, Narko«, sagte der Dämonenjäger kalt. »Jetzt bist du es, der mir nicht mehr entkommt.«
Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als Narko schon mit blinden Augen auf ihn zustürmte.
Er sieht mit dem Auge des Pokals! Diese Gewißheit schoß wie ein Blitz durch Zamorras Bewußtsein. Auch wenn er ihn nicht bei sich trägt!
Der Dämonenjäger konnte den ersten wütenden Angriff gerade noch parieren. Funken stoben aus dem Metall. Narkos Schwert mußte aus einem härteren Material geschmiedet sein als der Bronzebeidhänder Zamorras. Bronze schlägt keine Funken.
Daraus erwuchs eine neue Gefahr. Der Beidhänder war Zamorras einzige Waffe.
Wenn die Klinge brach…
Dazu überraschte ihn, daß Narko nicht mehr vor ihm zurückwich wie am Vormittag.
Aus Verzweiflung? Aus der verzweifelten Raserei eines Wesens heraus, das keine andere Möglichkeit mehr sieht?
Narko mit seinem Kurzschwert war wesentlich beweglicher als er mit dem riesigen Beidhänder. Nachdem Zamorra den ersten Angriff pariert hatte, standen sie sich gegenüber. Der Dämon und der Dämonenjäger. Wobei Zamorra inzwischen nicht mehr wußte, wer hier eigentlich wirklich der Gejagte war.
Er mußte versuchen, mit seinem Schwert den Gegner zumindest zu berühren. Dann würde auch die Kraft des Amuletts durch die Klinge seiner Waffe fahren.
So ähnlich wie bei einem Kurzschluß, bei dem auch zwei stromführende Drähte zusammengeführt werden mußten. Diesen Kurzschluß galt es herbeizuführen.
Doch Narko erwies sich als blendender Fechter. Er schaffte es sogar, Zamorra in die Enge zu treiben. Klirrend kreuzten sich die Klingen, und nach den Anstrengungen des Tages fühlte Zamorra, wie die Kraft in seinen Armen erlahmte, während Narko ihm nicht nur ausgeruht, sondern auch mit dämonischen Kraftreserven ausgestattet entgegentrat.
Dazu kam der Schock, als Zamorra die Leiche mit der durchschnittenen Kehle erkannte. Sie lag immer noch auf dem Basaltblock. Astrid Läla hatte ihm ein Bild von Kim Lisöjn gezeigt.
Zamorra troff der Schweiß aus allen Poren, das Bärenfell um seine Schultern behinderte ihn mehr, als ihm lieb sein konnte. Narko drängte ihn mit kraftvollen Hieben, die Zamorra immer müder parierte, in die entlegenste Ecke des Sakralbaus.
Und dort erkannte er auch seinen Vorteil!
Das Auge des Grals war diesem Winkel abgewandt. Narkos Angriffe wurden fahriger, nervöser, wurden nicht mehr mit der vorherigen Konzentration vorgebracht.
Der Dämon ließ in einer Sekunde von seinem Opfer ab, als Zamorra schon den letzten, tödlichen Streich erwartete.
Narko wankte tapsig zurück zur Säule, auf der der Gral stand.
Zamorra nutzte die einzige Chance, die ihm noch blieb, eiskalt. Narko durfte den Gral nicht erreichen!
Zwei Meter noch, und der Dämon hatte es geschafft. Mit letzter Kraft warf Professor Zamorra sich nach vorne und wußte doch, daß er zu spät kommen würde.
Auf Nicole hatte er nicht mehr geachtet. Und schon gar nicht rechnete er mit dem Mut, der in dem zierlichen Persönchen steckte.
Die Löwenmutter, die ihr Baby verteidigt…
Er erkannte
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