0119 - Der Weiße Magier
Schädel war zu einem Schrumpfkopf geworden. Juan schüttelte sich noch im nachhinein, denn er hatte Jorge gesehen.
Er kletterte weiter. Juan war ein Kind der Insel, seine Füße fanden mit traumwandlerischer Sicherheit Halt. Dann rutschte er in eine enge Spalte zwischen zwei hohen Felsen. Als seine Füße den Boden berührten, atmete er auf.
Geschafft.
Juan bückte sich, schaufelte Sand zur Seite und sah vor sich den Eingang zu einer Höhle.
Auf dem Bauch kroch Juan hinein. Wenig später konnte er sich wenigstens setzen.
Er hatte die Höhle mal in seiner Kindheit entdeckt und das Geheimnis keinem anvertraut.
Jetzt war es seine Rettung.
Juan Torres beschloß, die Nacht in der Höhle zu verbringen. Er faltete die Hände, und über seine Lippen drangen die Gebete der Kindheit, die ihn der Padre gelehrt hatte…
***
In Port au Prince waren wir glücklich gelandet. Und hier hatten wir den Sommer.
Die Hitze traf mich wie ein Hammerschlag. Suko grinste schadenfroh, und nur Myxin schien das Klima nichts auszumachen. Sein Gesicht blieb unbewegt.
Ich erkundigte mich sofort nach einem Flug zu Caligro Island. Der Mann am Schalter, ein Einheimischer mit unwahrscheinlich dicker Nase, zog seine Stirn kraus.
»Da haben Sie Pech, Señor. Sie ist auch verdammt, diese Insel. Keiner will was damit zu tun haben, aber wenn Sie durchaus dorthin wollen, kann ich Ihnen einen Tip geben.« Er schwieg, grinste und wartete ab.
Bei mir fiel der Dollar centweise. Klar, der Knabe wollte einen Bakschisch.
Ich drückte ihm ein paar Münzen in die Hand und erhielt den Rat, mich zum Hafen fahren zu lassen.
»Hier auf Haiti ist eben alles anders«, sagte er zum Abschluß.
Ich nickte. »Das habe ich bemerkt.«
Taxis warteten vor dem Flughafengebäude. Wir vertrauten uns einem Einheimischen an, der einen alten Mercedes Diesel fuhr.
Der freute sich über die Fahrt und machte sicherlich einige Umwege, bis wir schließlich am Ziel waren.
Von der Gegend hatte ich nicht viel gesehen, denn der Taxifahrer wollte uns anscheinend beweisen, daß Niki Lauda gegen ihn nur ein Waisenknabe war.
Am Hafen fragte ich mich dann durch und wurde an einen alten Fischer verwiesen, der hin und wieder auch Touristen fuhr.
Der Fischer, ein Mestize, hockte auf einem alten Rumfaß und soff.
Aus glasigen Augen starrte er über die am Kai dümpelnden Boote.
Ich mußte ihn dreimal ansprechen, bis er verstand.
Danach grinste er mich an, lachte glucksend und hob die Schultern. Wenn das so weiterging, konnten wir bald zu dieser vermaledeiten Insel schwimmen.
Zum Glück tauchte der Sohn des Fischers auf, ein drahtiger Bursche um die Zwanzig.
»Pedro macht alles«, rülpste der Alte.
Wir sprachen mit Pedro. Als ich den Namen der Insel erwähnte, verzog er das Gesicht.
»Ist was?« fragte ich.
»Gern fahre ich da nicht rüber.«
»Und warum nicht?«
»Die wollen keine Fremden.«
»Können Sie uns nicht an irgendeiner Stelle der Insel absetzen?«
»Das ginge. Ist aber nicht billig.«
»Daran soll’s nicht liegen.«
20 Pfund wurde ich los. Eine ganze Menge Holz. Dafür stachen wir auch sofort in See.
Ein schnittiges Motorboot hatte der Knabe nicht. Hätte ich auch gar nicht erwartet, doch sein alter Holzkahn wäre bei uns in England im Museum gelandet.
»Und damit wollen wir über See?« fragte ich.
Pedro grinste und schlug mit der flachen Hand gegen die Bordwand. »Meine Santa Maria hat allen Stürmen getrotzt. Sie ist das beste Schiff überhaupt.«
»Wenn Sie das sagen.« Ich warf Suko einen skeptischen Blick zu, der hob nur die Schultern und grinste.
Über eine Planke stiegen wir an Bord. Es war heiß hier im Hafen, und es stank nach Tang, Öl und verfaultem Obst. Nichts war von der Frische der Karibik zu merken, wie sie uns Europäern die Werbung immer so gern verspricht.
Wir tuckerten aus dem Hafen.
Suko, Myxin und ich standen an Backbord, hatten die Hände auf die Reling gelegt und schauten hinauf aufs Meer. Wir mußten aus der Bucht raus, erreichten dann das offene Meer und nahmen Kurs Nord, um zwischen den beiden Inseln Kuba und Haiti hindurchzufahren.
Diese Meerenge erreichten wir nach drei Stunden Fahrzeit. Im Westen sahen wir die Küste Kubas als grauen Streifen am Horizont.
Pedro hatte uns grinsend erklärt, daß er sich lieber näher an Haiti hielt, er mochte die Kubaner nicht.
Das Meer war ruhig. Wir rollten auf einer langen Dünung, die den alten Kahn mal hochhob und dann sanft wieder in ein Wellental gleiten ließ.
Gerade dieses
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