0119 - Der Weiße Magier
sehen.
Nicht nur zwei Köpfe waren da, sondern vier. Ein weiterer ließ sich soeben vom Felsen her auf den Sand fallen und wandte sein verzerrtes Gesicht dem jungen Juan zu.
Lebende Schrumpfköpfe.
Ein Horror ohnegleichen.
Juan spürte die über seinen Rücken rieselnde Gänsehaut. Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Obwohl er im Umgang mit dem Messer ein wahrer Meister war, glaubte er nicht, sich wirksam gegen die Schrumpfköpfe verteidigen zu können. Irgendwann würden sie ihn zu packen kriegen.
Seltsame Laute stießen die Köpfe aus. Es war eine Mischung aus Fauchen und Zischen.
Und dann sprang der erste auf Juan zu. Es war ausgerechnet Jorges Kopf, der sich aus dem Sand hochwuchtete. Augen und Mund waren weit aufgerissen, die nadelspitzen Zähne gebleckt und bereit, zuzubeißen.
Juans rechter Arm beschrieb einen Halbkreis. Die Klinge blitzte, als das Mondlicht sie traf. Dann spürte Juan den Widerstand. Das Messer war durch den Schädel gefahren, der sich jetzt blitzschnell bewegte und von der Klinge rutschte.
Im Sand blieb er liegen.
Unverletzt, denn die lange Wunde schloß sich sofort wieder.
Juan stöhnte auf.
Danach sprang er gedankenschnell in die Höhe, weil Jorges Kopf nach seinem Fuß hackte.
Noch einmal stieß Juan mit dem Messer zu. Diesmal fuhr die Klinge durch strähnige Haare, mehr geschah nicht.
Der Kopf rollte zurück.
Zum Glück griffen die anderen Schädel nicht sofort an, und Juan hatte Zeit, sich herumzuwerfen.
Die Schrumpfköpfe waren zwar schnell, aber er konnte rennen, und sie würden ihn kaum einholen.
Juan Torres tauchte nach rechts weg. Er kam nicht so gut vom Fleck, weil der Sand rutschig war, trotzdem war er schneller als die Schrumpfköpfe.
Sie flogen vorbei.
Dann hatte Juan freie Bahn.
Er rannte auf das Meer zu, und schon nach wenigen Schritten klatschten die Wellen bis gegen seine Schienbeine. Er riskierte es, blieb stehen und schaute zurück.
Die Schrumpfköpfe waren ihm gefolgt, doch vor dem Wasser hatten sie aufgegeben. Deutlich hoben sie sich von dem helleren Sand ab. Juan glaubte sogar, den Haß in ihren Augen zu lesen, aber ins Wasser hinein trauten sich diese Bestien nicht.
Wild schüttelte der junge Mann die Faust. Ein befreiendes Lachen drang aus seiner Kehle. Er hatte es geschafft und war diesen unheimlichen Bestien entkommen.
Juan drehte sich und schaute aufs Meer.
Dunkel lag die wogende Fläche vor ihm. Von Evita und ihrem Boot war nichts mehr zu sehen. Nur hin und wieder blitzten die Schaumkränze der Wellen auf.
Die Köpfe zogen sich zurück, als hätten sie einen Befehl erhalten.
Der junge Mann wartete, bis sie zwischen den Felsen waren, und ging dann weiter. Allerdings beging er nicht den Fehler, das Wasser zu verlassen. Wie leicht konnten ihm die Schädel eine Falle stellen und an Land auf ihn lauern.
Juan Torres kannte diese Ecke der Insel genau. Er wußte, wie er zu laufen hatte und auch die gefährlichen Strudel kannte er, die dort auftraten, wo die Felsen in das Wasser ragten und die Brandung stoppten.
Er lief jetzt nicht mehr allzu schnell, wollte sich nicht durch aufspritzende Wasserfontänen verraten, denn es konnte durchaus sein, daß zwischen den Felsen irgendwelche Beobachter lauerten.
Juan Torres hatte Glück. Niemand bemerkte ihn bei seiner Wanderung durch das flache Wasser.
Als vor ihm der Kegel des ersten Felsens aus den Wellen schaute, wurde der junge Mann vorsichtig. Er verließ das Wasser, lief ein paar Meter über den Strand und kletterte auf allen vieren einen Felsen hoch.
Durch mannsgroße Steine geschützt, blieb er geduckt sitzen und schaute sich um.
Viel konnte er nicht sehen.
Weit entfernt, etwa auf der Inselmitte, leuchteten mehrere Lichter.
Dort hatte der Magier sein Haus. Bestimmt war er wach und wanderte unruhig auf und ab. Doch seine Schrumpfköpfe würden ihm keinen Erfolg zu berichten haben. Juan wollte sich nicht gefangennehmen lassen.
Trotzdem war sein Schicksal ziemlich bescheiden. Auf der Insel gab es zwar eine Polizei, aber der Commandante ging bei Caligro aus und ein. Auf ihn konnte Juan nicht zählen, der würde ihm auch kein Wort abnehmen.
Wo würde er Hilfe finden? Von seinen Freunden? Kaum, die waren allesamt zu feige. Denn der Magier besaß die Macht und würde sie grausam bestrafen.
Es sah trostlos aus, und doch freute sich der junge Mann, denn er lebte noch.
Im Gegensatz zu Jorge.
Ihm hatten sie das angetan, wovon man sich nur flüsternd erzählte. Sein
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