0126 - Merlin, der Magier
er eines Tages wirklich einmal wissen würde, was das Amulett war, was die Schriftzeichen auf ihm bedeuteten. Und - wer Merlin war. Merlin, der Unsterbliche, der Wanderer zwischen den Zeiten. Merlin, der Ahasver…
Jene Angstimpulse, die er ständig gespürt hatte, seit Nicole und er sich in der Vergangenheit aufhielten, waren jetzt erloschen. Es war, als bestände die »Todesgefahr« für das Amulett nicht mehr, als atme dieses erleichtert auf. Die Gefahr war beseitigt. Kein anderer Schluß war aus diesen Tatsachen möglich.
Zamorra sah das Amulett an, dann Nicole, die damit beschäftigt war, die Reste des von dem Dämon zerfetzten Gewandes um ihre Blößen zu drapieren. »Du…«
Er kam nicht weiter. Merlin griff ein -und handelte! Und wieder gab es eine Überraschung. Wieder handelte er anders, als Zamorra erwartet hatte. Auch jetzt war der Zauberer noch für eine Überraschung gut!
Der Professor wurde von dem Unsterblichen förmlich überrumpelt. Merlin griff einfach zu und nahm ihm das Amulett aus der Hand.
»He!«
Merlin lächelte, winkte einmal kurz und löste sich auf.
Mit dem Amulett!
»Hiergeblieben!« schrie Zamorra verblüfft. »Was soll das, Merlin, du Gauner! Laß mein Amulett hier! Du…«
Er brach ab und schlug mit der Faust in die Luft. »Das begreife wer will«, murmelte er. »Ich verstehe ihn einfach nicht. Wenn er nur einmal sagen würde, was das alles soll!«
Doch Merlin konnte ihm keine Antwort mehr geben.
Denn in diesem Augenblick setzte ein anderer Vorgang ein. Einer, mit dem weder Zamorra noch Nicole zu diesem Zeitpunkt gerechnet hatten. Ein Vorgang, den Zamorra mit dem Verschwinden Merlins und des Amuletts sekundenlang sogar für unmöglich geworden gehalten hatte. Denn nur mit dem Amulett war ihm bislang die Reise durch die Zeit möglich gewesen.
Jetzt aber… verschwanden auch sie aus dieser Epoche. Es war, als hätte es sie niemals gegeben.
***
Merlin wußte nur zu gut, was zu tun war. Er nahm das Amulett an sich und verließ die Zeitepoche des ersten Kreuzzuges. Zugleich begann er ganz aus dieser Welt zu verschwinden, drang durch eine Art Schutzfilm widerstandslos hindurch und erreichte eine andere Dimension.
Eine andere Welt…
Rot brannte eine kleine Sonne am gelben Himmel. Unter Merlins Sandalen knirschte goldfarbener Sand. Bunte Pflanzen wiegten sich im leichten Wind, der die Oberfläche eines kristallklaren, blauen Sees kräuselte. Vögel sangen.
Eine friedliche Welt!
Merlin setzte sich ln Bewegung. Hier brauchte er nicht seine Füße als Fortbewegungsmittel zu benutzen. In dieser Welt unterstützten ihn die Gesetze der Magie.
Merlin flog!
Die Arme ausgebreitet, schossen plötzlich mächtige Federn hervor, ließen seine Glieder zu gewaltigen Schwingen werden. Wie ein Adler glitt der Zauberer durch die Lüfte, kreiste ein paarmal und näherte sich dann der seltsamen Stadt, deren Silhouette am Horizont auftauchte.
Eine riesige Befestigungsmauer zog sich um die Stadt und bot damit Parallelen zu Jerusalem, die aber bei der Architektur bereits wieder endeten. Im Abstand von zwanzig Metern ragten mächtige Wehrtürme auf. Riesige Quadern bildeten die Befestigung und warfen in dem unbefangenen Betrachter die Frage auf, wie die Erbauer sie aufeinandergetürmt hatten. Waren hier jene Leute am Werk gewesen, die Stonehenge konstruierten?
Die Stadt?
Es gab keine andere in dieser Welt. Im Zentrum der Stadt stand der Regierungspalast, und in diesem herrschte Camoran, der Unsterbliche.
Merlin entsann sich an die Zukunft. In fast tausend Jahren würde Zamorra in diese Welt kommen. Er würde auf Camoran stoßen und ihn töten. Denn Camoran war sein negativer Gegenpol.
Merlin glitt tiefer, zog Kreise über dem Palast und glitt dann durch ein Fenster hinein. Niemand nahm ihn wahr. Der Schatten der Unsichtbarkeit lag über dem Zauberer von Avalon. Lautlos war sein Kommen, und unsichtbar und unhörbar bewegte er sich im Palast.
Camoran der Unsterbliche - war Zamorras Ebenbild! [8]
Und das war der Grund, weshalb Merlin seinerzeit nicht selbst in diese Welt mitgekommen war, sondern Zamorra nur den Tip gab. Das war auch der Grund, warum er sich jetzt wie ein Dieb in den Palast schlich.
Er mußte sich hüten, dem Herrscher über den Weg zu laufen. Denn er wußte, daß er Camorans Anblick nicht ertragen würde. Ein Geheimnis, ein böses, düsteres Rätsel umgab den Herrscher der stadt und der Welt. Selbst Merlin tappte in dieser Beziehung teilweise im Dunkeln. Jene, die noch über
Weitere Kostenlose Bücher