013 - Frankensteins Geburt
Hebel um, und die Tür glitt langsam in die Decke. Der Sturm wirbelte Schnee in den Gang.
Der Wärter blieb unter der Tür stehen und sah hinaus. Die starken Scheinwerfer fraßen sich durch die Dunkelheit. Zögernd ging der Wärter los. Und plötzlich blieb er stehen und bückte sich. Nach einer Sekunde richtete er sich wieder auf, sah in die Richtung von Dassin und begann aufgeregt zu winken.
Der Wissenschaftler lief zu dem Wärter hin. Vor ihnen lag ein Mann ohnmächtig auf dem Bauch.
»Wir müssen ihn hineintragen«, sagte Dassin.
Der Wärter nickte, hing sich die Maschinenpistole über und packte zu. Fast spielerisch hob er Ronald Garwin in die Höhe. Er trug ihn durch die Tür, legte ihn auf den Boden, drehte ihn auf den Rücken, und Dassin kniete nieder und fühlte den Puls
Garwins. Dann machte er dessen Jacke auf und fuhr unter sein Hemd. Der Körper Garwins war eiskalt.
»Der Mann ist total erschöpft«, sagte Dassin. »Außerdem hat er Erfrierungen. Verständigen Sie sofort Dr. Stone! Er soll mit einer Bahre kommen!«
Der Wärter eilte davon. Dassin sah ihm nach. Und plötzlich schoss ein verwegener Gedanke durch seinen Kopf. Er benötigte doch ein Gehirn! Sein Blick fiel auf Garwins Gesicht. Da hatte er eines. Niemand außer dem Wärter wusste von dem Eindringling. Und der Wärter würde keinerlei Schwierigkeiten bereiten. Dassin würde ihn ganz einfach hypnotisieren.
Je länger er darüber nachdachte, umso mehr gefiel ihm die
Idee. Der Wärter kam zurück.
»Dr. Stone ist schon unterwegs«, meldete er.
Dassin nickte.
»Sie sagen niemandem, dass dieser Mann hier eingedrungen ist«, sagte er beschwörend.
»Aber ich muss eine Meldung schreiben«, warf der Wärter ein.
»Das können Sie später tun«, sagte Dassin. »Vorerst werden Sie uns helfen, den Mann in mein Labor zu bringen. Er braucht dringend ärztliche Betreuung.«
»Ich darf aber nicht meinen Posten verlassen«, warf der Wärter schwach ein.
»Ich befehle es Ihnen!« knurrte Dassin wütend. »Haben wir uns verstanden?«
Der Wärter nickte.
Dr. Stone kam mit einer fahrbaren Bahre. Gemeinsam mit dem Wärter hob er Garwin hoch.
Dassin ging bedächtig hinter der Bahre her. Plötzlich drehte er sich um. Es war ihm so vorgekommen, als hätte er eine Bewegung gesehen. Er blieb stehen, ging einige Schritte nach rechts, sah aber nichts. Er musste sich getäuscht haben.
Birgit Jensen konnte nicht schlafen. Neben sich hörte sie das gleichmäßige Atmen Howard Hestons. Er lag auf dem Rücken und hatte eine Hand um ihre nackten Hüften gelegt. Es war ruhig im Zimmer. Die fast vollkommene Dunkelheit störte Birgit. Alle ihre Sinne waren angespannt. Sie hatte gehofft, in den Armen des Milliardärs Ruhe zu finden, doch das Gegenteil war der Fall gewesen. Die leidenschaftliche Vereinigung hatte alles nur noch schlimmer gemacht.
Langsam schob sie Hestons Hand zur Seite, drehte sich um, setzte sich auf und zog die Beine an. Sie überlegte, ob sie ein Schlafmittel nehmen sollte, verwarf aber diesen Gedanken. Einige Zeit lauschte sie auf die gleichmäßigen Atemzüge des Milliardärs, dann hielt sie es nicht mehr länger aus.
Sie rutschte über das kreisrunde Bett und ließ die Beine auf den Boden baumeln. Birgit sehnte sich nach einem Glas Wein und einer Zigarette. Sie stand auf und streckte sich. Die innere Unrast wurde immer stärker. Rasch ging sie auf die Tür zu. Der flauschige Teppich verschluckte jedes Geräusch. Sie drehte das Licht nicht an, sie fand den Weg auch in der Dunkelheit.
Zwei Schritte vor der Tür flammte die Deckenbeleuchtung auf, und die Tür glitt zurück. Birgit drehte sich kurz um, Heston lag noch immer auf dem Rücken. Jetzt schnarchte er leise. Die Decke war über seine Brust herunter geglitten.
Das Schlafzimmer wurde von dem riesigen runden Bett beherrscht. Die Wände und Decken waren mit Spiegeln verkleidet. Birgit mochte dieses Zimmer nicht besonders. Die Spiegel störten sie sehr.
Sie ging weiter in ihr Zimmer, schlüpfte in ein kurzes Nachthemd und zündete sich eine Zigarette an. Vor dem Fenster blieb sie stehen und zog die Vorhänge zurück. Sie konnte nichts sehen. Die Scheibe beschlug sich mit ihrem Atem.
Sie sog an der Zigarette und schlenderte auf den Getränkeautomaten zu; er wurde vom Computer gesteuert und war ein kastenartiges Gerät, das sie anfangs ungemein beeindruckt hatte, doch jetzt war es ihr vertraut geworden.
Sie kippte einen Schalter herunter. Eine Glasplatte glühte grün auf und
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