0130 - Mr. Mondos Monster
Mrs. Sarah Goldwyn liebte drei Dinge in ihrem Leben: Den Kaffeeklatsch mit ihren Freundinnen, die Gräber ihrer drei verstorbenen Männer und Horror-Romane!
Ja, letztere besonders.
Da war sie nahezu eine Expertin. Sie hatte alles im Regal stehen, was man sich denken konnte. Das fing bei E. T. A. Hoffmann an, ging über Edgar Allan Poe bis hin zu H. P. Lovecraft, einen schon moderneren Vertreter dieses Genres.
Sarah kannte alle Werke. Sie schmökerte mit Vergnügen. Besonders abends oder nachts, wenn die ersten Herbstnebel um ihr Haus strichen, dann hockte sie am Fenster, geborgen unter dem Schein der alten Stehlampe, und las.
70 Jahre zählte sie. Aber Jugend und Frische hatten sich in ihrem Innern noch erhalten, und sie hatte drei Männer überlebt, worauf sie besonders stolz war.
Arthur, ihr letzter, hatte ihr das kleine Haus vererbt, das sie nach dem Tod endlich nach ihrem Geschmack einrichten konnte. Ältere Möbel, hohe Regale, Teppiche, ein wenig Plüsch und eben Bücher über Bücher.
Da sie auch noch ein kleines Vermögen besaß, konnte sie es sich leisten, einen Diener zu halten.
Edgar, hieß der Knabe, und er sah aus wie eine Witzblattfigur. Etwas untersetzt, eine Halbglatze, und die noch verbliebenen Haare waren straff zu beiden Seiten des Kopfes bis an die Ohren gekämmt worden.
Edgar war das Mädchen für alles, und er machte seine Sache ausgezeichnet, ohne sich dabei zu überarbeiten. Daß er aus einem Zuchthaus kam, störte höchstens die Nachbarn, Sarah Goldwyn nicht. Sie gab jedem Menschen eine Chance.
Und sie kam gut mit Edgar aus, den sie sich richtig erzogen hatte.
Wenn sie daran dachte, wie er war, als er aus dem Zuchthaus entlassen wurde und dann bettelnd, mit dem treuen Hundeblick vor ihr stand, da hatte sie kurzerhand zugegriffen und ihn eingestellt. Jetzt arbeitete er schon über zwei Jahre für sie, und er hatte sich nie eines Vergehens schuldig gemacht.
Die kleine Uhr über dem Kamin schlug genau acht, als gegen die Tür geklopft wurde.
»Come in«, sagte Sarah Goldwyn.
Edgar erschien. In der rechten Hand trug er das Tablett mit der Kanne, der Teetasse und dem Kandis.
»Ihr Tee, Madam!«
»Bitte, stellen Sie ihn auf den Tisch.«
»Sehr wohl, Madam!«
Es war jeden Abend das gleiche. 20 Uhr war Tee-Ritual. Lady Sarah trank ihren Tee mit Genuß, ließ sich dabei eine halbe Stunde Zeit, schaute aus dem Fenster und widmete sich danach ihrer Horror-Lektüre. Genau bis Mitternacht, da klappte die hagere Lady mit den grauen Haaren, dem länglichen Gesicht, der schmalen Nase und den lebhaft blickenden Augen das Buch zu und begab sich zu Bett.
Was ihr Butler machte, wußte sie nicht. Manchmal ging er weg, manchmal blieb er zu Hause. Er schlief unter dem Dach. Auf dem Speicher hatte Lady Sarah ihm einen Raum abtrennen lassen.
Edgar schenkte den Tee ein. »Ist es so recht, Madam?«
»Sehr.«
Edgar richtete sich auf. »Wünschen Sie noch etwas?«
»Danke, Edgar, Sie können gehen.«
»Sehr wohl, Madam.« Er verbeugte sich leicht. »Ich wünsche Ihnen eine Gute Nacht.«
»Danke, Edgar. Ihnen dasselbe. Und vergessen Sie das Bad morgen früh nicht.«
»Nein, Madam, ich werde daran denken.«
Es waren immer die gleichen Worte, die zwischen den beiden gewechselt wurden. Edgar ging. Lautlos näherte er sich der hohen Tür, verbeugte sich dort und verschwand.
Lady Sarah aber griff zur Teetasse. Das hauchdünne Porzellan sah sehr zerbrechlich aus. Sie faßte es vorsichtig an, hob die Tasse an die Lippen und trank.
Dieses begleitete sie mit einem solchen Schlürfen, daß einem empfindlichen Menschen eine Gänsehaut über den Rücken rinnen mußte. Nach den ersten beiden Schlucken stöhnte die Lady auf und leckte sich die Lippen. Jetzt war niemand da, auf den sie Rücksicht zu nehmen brauchte, sie konnte sich so geben, wie sie wollte.
Dann beugte sie sich zur Seite, streckte ihre Hand aus und nahm die Blechschachtel mit den Zigarillos von der Fensterbank. Rauchen war ihr heimliches Laster, und sie freute sich diebisch, wenn irgendeine Freundin sie mit einem Zigarillo zwischen den Lippen erwischte.
Mit einem Streichholz zündete sie es an.
Genüßlich paffte sie ein paar Rauchwolken, die sich zwischen die auf der Fensterbank stehenden Topfblumen verteilten und sie umwölkten.
Lady Sarah schaute nach draußen. Edgar hätte schon weg sein müssen, aber anscheinend hatte er an diesem Abend keine Lust, das Haus zu verlassen.
Hinter dem kleinen Vorgarten führte die Straße vorbei. Eine
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