0140 - Ein Toter soll nicht sterben
Dieser Körper, der anderthalb Jahrhunderte überstanden hatte, zerfiel zusehends. In wenigen Tagen würde er bestattet werden müssen. „Ihre Theorie, Kule-Tats – schnell! Wir haben keine Zeit."
„Jetzt?"
„Warum nicht?" erwiderte Rhodan und ließ Ellerts schwankende Gestalt nicht aus den Augen. „Vielleicht hilft uns das weiter." Die anderen Mediziner lösten sich aus ihrer Starre. Sie redeten alle durcheinander, gestikulierten wild und versuchten, Ellert festzuhalten. Aber der Tote – medizinisch gesehen war Ellert tot – schob sie achtlos beiseite und ging weiter.
Unsicher, fast wie blind, wankte er auf die Tür zu. „Van Moders hat sich, genau wie ich, eingehend mit der Struktur der Plasmagehirne befaßt", sagte Kule-Tats hastig. „Die seltsame Anordnung der Zellen, jede für sich autark, macht es durchaus möglich, daß eine vorübergehende Aufteilung möglich ist. Auch Ellerts Bewußtsein ist dazu in der Lage. Nehmen wir einmal an..."
„Schneller!" unterbrach Rhodan und sah gespannt zu, wie Ellert die Tür öffnete und hinaus auf den Korridor trat. Es durfte keine Zeit mehr verloren werden.
Wenn ein ahnungsloses Besatzungsmitglied dem Leichnam begegnete, konnte ein Unglück geschehen. „Es hat eine Art Austausch stattgefunden!" faßte der Ara zusammen. „Ellert wurde zu einem Posbi – oder zu mehreren. Umgekehrt kam ein Teil des Plasmagehirnbewußtseins zu uns – und wurde Ellerts Leiche."
Rhodan sah Kule-Tats an. „Das ist ja Wahnsinn! Das ist..." Er schüttelte den Kopf, winkte einigen der Männer zu und folgte Ellert, der schwankend und wie blind den Gang entlangschritt, als suche er etwas. „Wir müssen versuchen, ihn auf seinen Platz zurückzubringen", sagte Kule-Tats besorgt. „Wie hat er es überhaupt fertiggebracht, die Kontaktstücke zur Zellauffrischung zu lösen?" Daran hatte Rhodan bisher noch nicht gedacht. Der Posbi konnte nichts davon wissen, es sei denn, er hatte einen Teil von Ellerts Erinnerung in sich aufgenommen. Wirklich eine Art Austausch? Wenn ja, dann war Ellerts wandelnde Leiche der gefährlichste Gegner, den es geben konnte. Vielleicht mußte man ihn sogar unschädlich machen. In Rhodan sträubte sich alles dagegen, Ellert zu töten – oder das, was Ellert zu sein schien. Die Mediziner hatten Ellert eingeholt und hielten ihn bei den Armen fest. Ellert wehrte sich nicht, aber er schien unheimliche Kräfte zu besitzen. Er schritt einfach weiter, und niemand vermochte ihn aufzuhalten. Von den mehr als tausend Besatzungsmitgliedern waren natürlich mehr als die Hälfte nicht eingeweiht, was an Bord des Schiffes geschah. Nur die Offziere wußten, worum es ging. Noch weniger wußten um Ellert.
Der Mann, der um die Gangbiegung kam und zu einem der zahlreichen Frachträume wollte, war, den Rangabzeichen nach zu urteilen, ein einfacher Kadett, der seinen ersten Einsatz mitmachte.
Er prallte direkt gegen Ellert, entschuldigte sich unwillkürlich und sah dann erst sein Gegenüber. Die Augen quollen ihm fast aus dem Kopf, als er die entstellten Züge des ihm Unbekannten erblickte, die farbigen Flecke sah und die erschrockenen ärzte. Er stieß einen gellenden Schrei aus, machte auf dem Absatz kehrt und eilte davon, unaufhörlich um Hilfe rufend. Es würde einen ganz schönen Aufruhr geben, wenn der Kadett in dieser Verfassung auf andere Neulinge traf. Vielleicht glaubte er sogar, einem Monster begegnet zu sein, das sich heimlich ins Schiff geschlichen hatte und nun dabei war, die Besatzung umzubringen. Rhodan eilte zum nächsten Interkomkontakt und rief Claudrin. „Hören Sie, Kommodore. Ellert läuft herum. Sein Anblick wird die Leute erschrecken. Sie wissen, was Sie zu tun haben, wenn Sie entsprechende Alarmmeldungen erhalten?"
„Ja, Sir", erwiderte Claudrin mit dröhnender Stimme.
„Gut", sagte Rhodan und drückte den Knopf wieder ein. Schnell holte er die Gruppe ein, die Ellert begleitete. „Kule-Tats, Sie müssen versuchen, Ellert wieder auf sein Bett zurückzubringen.
Unbedingt muß das geschehen, bevor ich mit dem Einsatzkommando an Bord des Fragmenters gehe."
„Halten Sie das nicht für zu gefährlich – jetzt?"
„Jede Sekunde ist kostbar, wir können nicht warten." Der Ara gab seine Anweisungen. Ellert wurde förmlich eingekreist und in die alte Richtung zurückgedrängt. Obwohl er doch sicherlich kein Wort verstand, redeten sie ihm unwillkürlich gut zu. Allmählich gelang es. Ellert folgte und ging zu dem Frachtraum zurück, aus dem er entwichen
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