0140 - Mörder auf freiem Fuß
erblickte er mich hinter der Glastür, ließ sich von der Mauer fallen und kam durch den Garten auf die Terrasse zu. Ich lief hier in die Halle, wo das Telefon steht. Sehen Sie: dort. Erst wollte ich die Polizei anrufen, aber dann dachte ich an Ihren Besuch, wählte die FBI.-Nummer und verlangte Sie, Mr. Cotton.«
»Wußten Sie die Nummer?«
»Ja«, sagte sie leise. »Ich war heute nachmittag einige Male nahe daran, Sie anzurufen. Darum schlug ich die Nummer im Telefonverzeichnis nach, aber ich zögerte dann doch. Erst als ich den Mann im Garten sah, rief ich Sie an.«
Von dem Platz, an dem das Telefon stand, konnte man durch den leeren Speiseraum die Terrassentür sehen. Eleonor Truster sah, wie der Mann auf die Terrasse kam. Er erkannte, daß sie telefonierte, zog eine Pistole und schoß. Eleonor schrie auf, ließ den Hörer fallen und fiel ohnmächtig zu Boden. Sie kam irgendwann wieder zu sich, verkroch sich voll panischer Angst in eine Ecke und wagte sich erst wieder hervor, als sie die Cops und uns hörte.
Als sie ihren Bericht soweit beendet hatte, machten Carrol und ich uns auf die Suche nach dem Kugeleinschlag. Wir entdeckten ihn in der gegenüberliegenden Mauer. Ich bat die Frau, den Platz einzunehmen, an dem sie gestanden hatte, als der Schuß fiel, und prüfte die Schußrichtung. Sie stimmte, aber der Kerl hatte miserabel gezielt. Der Einschlag lag zwei Yard seitlich und mehr als einen Yard zu hoch.
»Sie hatten Glück«, stellte ich lakonisch fest. »Ein Meisterschütze war der Bursche wahrhaftig nicht.«
Sie bekam ein kleines Lachen zustande. »Das hört sich an, als bedauerten Sie es, Mr. Cotton.«
»O nein, Miß Truster. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich mich ungeschickt ausdrückte.« Ich machte eine kleine Pause und fuhr dann fort:
»Wollen Sie uns den Rest der Geschichte erzählen? Alles das, was Sie bei unserer ersten Unterhaltung verschwiegen haben.«
»Ja«, sagte sie. »Das werde ich jetzt müssen. Ich habe nicht immer Eleonor Truster geheißen. Zeitweise hieß ich Eleonor Standwich.«
Sie machte eine kleine Pause, als habe sie mit dieser Erklärung alles gesagt, aber id, konnte mit dem Namen Standwich nichts anfangen.
»Sie sind geschieden?« fragte ich.
»Ja, seit fünf Jahren.«
»Und Sie glauben, daß der Mann, der auf Sie schoß, von Ihrem geschiedenen Mann geschickt worden ist?«
»Ja, von meinem ehemaligen Mann, von Alec Standwich.«
Wissen Sie, ich fühle midi immer ziemlich unbehaglich, wenn ich beruflich in irgendwelche hitzigen Gemütsaffären hineingezogen werde. Das ist ein Gebiet, auf dem ich mich nicht recht auskenne und aus dem ich am liebsten die Finger lasse. Aber schließlich hatte jemand versucht, der hübschen Eleonore eine Kugel zu verpassen, und also kam ich wohl nicht daran vorbei, mich nach den näheren Umständen ihrer Heirat und ihrer Scheidung zu erkundigen.
»Seit fünf Jahren leben Sie also allein?«
»Ja. Zwei Monate, nachdem Alec zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt worden war, ließ ich mich scheiden.«
Hallo, jetzt wurde die Geschichte interessanter.
»Wer war dieser Standwich?« fragte ich.
»Sie kennen ihn nicht? Er war ein Gangster in San Francisco.«
Eleonor Trusters Geschichte war die Story eines jungen, hübschen, leider nicht mehr reichen Mädchens, das sich mit zwanzig Jahren und ohne jede Erfahrung in einen gut aussehenden, rund zehn Jahre älteren Mann verliebte, der außerdem viel Geld zu haben schien. Sie lernte Standwich in New York kennen und heiratete ihn nadi zwei Monaten, was bei uns in den Staaten leider nicht sehr selten ist.
Er fuhr mit ihr nach San Francisco, und dort entpuppte sich der schöne Alec als ein ziemlich rabiater Bursche, der sein Geld auf verteufelt unehrliche Weise verdiente.
»Ich habe nie herausbekommen, welche Unternehmungen er betrieb«, sagte I.leonor, »aber ich fürchte, sie verstießen alle in irgendeiner Form gegen die Gesetze. Er ließ midi viel allein, trieb sich in der Unterwelt herum. Oft erschienen linstere Typen in unserer Wohnung. Zwei Jahre nach unserer Hochzeit beging Alec den Einbruch in ein Juweliergeschäft und erschoß dabei einen Nacht wäditer. Die Polizei faßte ihn zwei Tage später. Sie verhaftete ihn aus unserer Wohnung heraus. Alec leugnete die Tat, aber bei der Haussuchung fand man im Wäscheschrank eine Pistole. Die Untersuchung ergab, daß der Wächter mit dieser Waffe getötet worden war. Alec versuchte vergeblich, sich herauszuwinden. Das Gericht erkannte ihn für
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