015 - Das Blutmal
haben noch einen altmodischen Küchenherd. Ist manchmal ganz praktisch. Ach so, meiner Frau? Ja …« Er lächelte entschuldigend. »Das ist der Grund, weshalb mir Ihr Besuch so ungelegen ist. War blinder Alarm. Ich holte sie gleich aus der Klinik zurück.«
»Oh!« sagte Veit hilflos.
»Na, Sie können nichts dafür.«
Er führte Veit in die Küche und kam nach wenigen Minuten mit einem braunen Bademantel zurück, der Veit bis zu den Füßen reichte.
»Was gibt’s denn so Unaufschiebbares?«
Idusch säuberte seine Pfeife.
»Sie werden mich für verrückt halten«, begann Veit zögernd.
Der Professor zeigte auf eine Kanne auf dem Herd, »´ne Tasse Kaffee? Ist frisch aufgegossen.«
»Nicht schlecht.«
Idusch goss zwei Becher voll. »Milch? Zucker?«
»Nichts. Danke.« Veit griff nach einem Becher und trank in kleinen Schlucken. »Ich muss mich entschuldigen.«
»Ach, sparen wir uns die Floskeln!« Idusch sah auf seine Armbanduhr. »Meine Zeit ist verdammt knapp.«
Veit holte Luft. Es fiel ihm schwer, zu sprechen.
»Meine Freundin Anna Dori ist eine Hexe«, sagte er schließlich.
Der Professor hielt den Kopf schräg.
legte die Hände auf die Knie, beugte sich vor und näherte sich seinem Gegenüber.
»Wie interessant! Erzählen Sie mal!« sagte er völlig ernsthaft.
»Es begann in Ihrem Seminar.«
Wie eine Fontäne sprudelte es aus Veit heraus. Er berichtete bis ins kleinste Detail hinein genau. Und zu keiner Sekunde erlosch Iduschs sichtbares Interesse. Keine Zwischenfrage unterbrach Veit, der bei der Schilderung der letzten Nacht dem Zusammenbruch nahe war.
»Glauben Sie mir?«
Veits Frage kam stöhnend.
»Darauf kommt es nicht an.«
Idusch erhob sich, griff zu einem eisernen Haken, entfernte damit einige Ringe vom Herd und stocherte in der aufsprühenden Glut herum. Sein Gesicht leuchtete rot im Widerschein des Feuers. »Der Hals …« sagte er leise.
»Bitte?« fragte Veit.
»Nichts. Ich habe laut gedacht. Fühlen Sie sich bedroht?«
»Ich? Persönlich? Nein. Anna liebt mich.«
Idusch lachte gepresst. »Liebe! Wie sich das anhört! Mal eine Frage, Kloss: In Ihrer Familie gab es keine Fälle von Schizophrenie? Oder Paranoiker? Also die Möglichkeit einer Vererbung …«
»Nein, nichts. Alle waren richtig im Kopf, Professor.«
»Bei dem fraglichen Seminar stellte mir die Dori die Frage, wie Anna Göldi umkam. Das weiß ich noch genau. Das Mal am Hals könnte eine hysterische Reaktion sein. Zumindest das erste Mal. Stimmen Sie mir da zu?«
»Möglich.«
»Und später – optische Täuschungen Ihrerseits. Und die Todesfälle bringen Sie in Ihrer überhitzten Phantasie mit vorher geführten Gesprächen in Verbindung.«
Idusch argumentierte völlig sachlich. »Aber die Spatz, der Reimers – beide brachen sich das Genick! Und das passiert ja wohl auch bei einer Hinrichtung mit dem Schwert. Nein, nein. Das ist keine Einbildung.« Veit sprang auf. »Ich sage Ihnen, es müssen noch mehr sterben, wenn sie es will.«
»Täglich sterben Millionen auf der Welt.« Idusch winkte ab. »Ihre emotionelle Betrachtung bringt uns nicht weiter. Unterstellen wir einmal, Sie hätten mit Ihren absurden Vermutungen recht. Dann würde ihre Freundin also weitertöten. Wen? Einen Menschen, auf den sie wütend ist? Einen Menschen, dessen Tod ihr, Ihnen oder einem anderen, den sie gern hat, nützt?«
»Ja.«
»Gut. Ich werde Sie von Ihrer irrigen Ansicht heilen und mache Ihnen einen Vorschlag. Wenn mein Plan negativ verläuft, versprechen Sie mir dann, sich in psychiatrische Behandlung zu begeben?«
»Ja.«
Idusch setzte sich, rückte seinen Stuhl dicht an den Veits heran und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Passen Sie auf! Sie gehen in Ihre Wohnung zurück und tun völlig unbefangen. Glauben Sie, dass Sie das können?«
»Wahrscheinlich. Ja.«
»Kaufen Sie ein paar Blümchen. Sagen Sie, Sie wollten sich entschuldigen für Ihr Verhalten. Seien Sie lieb und nett und fair. Tag und Nacht. Besonders nachts. Verstehen Sie mich?«
»Ja.«
»Kloss, Ihre Freundin muss einfach überzeugt sein, dass die alte schöne Vertrauensbasis wiederhergestellt ist. Ich weiß, dass ich viel verlange.« Idusch sah wieder auf die Uhr. »Meine Frau denkt bestimmt, ich hätte sie vergessen. – Mann, Kloss – Sie weinen ja.«
»Schon vorbei.« Veit wischte sich über die Augen. »Ich wünschte, alles wäre nur ein böser Traum. Ich habe Anna so gern – so gern gehabt.«
»Gefühle lassen sich regenerieren, Kloss. Fahren
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