0153 - Die kleinen Riesen
– wenn nicht ein Wunder geschah!
***
»He, Sportsfreund, was soll das?« fragte Zamorra laut. Doch der andere reagierte nicht darauf. Er starrte den Professor an, abschätzend, wie es schien, und lauernd. Er wartete jetzt ab. Mit dem Einnehmen der Abwehrhaltung hatte Zamorra gezeigt, ebenfalls über Karate-Kenntnisse zu verfügen. Der Zerlumpte versuchte jetzt, seinen Gegner einzuschätzen. Keine Gürtelfarbe verriet die Fähigkeiten des Gegners.
Zamorra selbst war ziemlich ruhig. Es gab nur wenige Karatekas, die den 2. Dan erreicht hatten. Vielleicht hundert, hundertfünfzig auf der ganzen Welt, mehr bestimmt nicht. Die Wahrscheinlichkeit, daß sein Gegner ihm ebenbürtig oder gar überlegen war, war daher äußerst gering.
»Laß den Quatsch, Kamerad«, sagte Zamorra. »Ich wollte dich nur etwas fragen. Was soll dieser Blödsinn?«
Die Frage wertete der andere offensichtlich als Hinhalte-Taktik und somit als Schwäche.
Er griff an.
Doch er kam nicht dazu, Zamorra zu berühren.
Der Professor brauchte nicht einmal einen Abwehrgriff einzusetzen. Etwas anderes geschah.
Er hatte das Hemd über dem Amulett bisher noch nicht wieder geschlossen. Und das Amulett reagierte auf den Angriff des Fremden, rascher, als irgendein Mensch es vermocht hätte.
Es erkannte, daß sein Besitzer in Gefahr war. Es schien, als besitze das Amulett eine eigene Intelligenz und eigene Entscheidungsfähigkeit. Es setzte selbsttätig seine Abwehrkräfte ein.
Ein silbriger Blitz fuhr auf den Fremden zu und traf ihn in der Körpermitte.
Der Ungepflegte brach zusammen. Er stieß einen gellenden Schrei aus.
Mit einem Sprung war Zamorra bei ihm, kniete neben dem zusammengebrochenen Körper nieder. Doch er erkannte sofort, daß hier nichts mehr zu machen war.
Der Ungepflegte befand sich in einem rasenden Zerfallsprozeß.
Seine Haut verfärbte sich, schrumpfte und platzte auf. Staub rieselte zu Boden. Ein Skelett grinste den Parapsychologen an. Augenblicke später existierte auch dieses nicht mehr.
Nur noch ein Häufchen Staub lag auf dem Gehsteig – und die Kleider des Unbekannten.
Im gleichen Moment hörte Zamorra, wie sich die Haustür des Bungalows öffnete, vor dem sich das Geschehen abgespielt hatte. Er sah auf.
Eine junge Frau trat aus dem Haus.
In ihrer Hand schimmerte matt eine Pistole.
***
Zamorra erhob sich langsam, sehr langsam. Er sah die Frau mit der Pistole an. Sie mußte es sein, die er vorhin hastig im Haus hatte verschwinden sehen. Ihr Gesicht drückte maßlose Verwirrung aus.
»Was… was war das?« stieß sie hervor. Sie starrte auf das Kleiderbündel auf dem Gehsteig.
Zamorra sah sie aus leicht verengten Augen an. »Was haben Sie gesehen?« fragte er und kam sich vor wie ein Gangster, der sich übergangslos einem unvermuteten Tatzeugen gegenübersah. Er konnte sich nicht erklären, woher dieses Gefühl kam, für das es überhaupt keine Begründung gab. Das Wesen, das da vor ihm gestorben war, war ein Dämon gewesen, hatte sich spurlos aufgelöst.
Er würde, selbst wenn jemand ihm einen Mord unterschieben wollte, nicht einmal nach einer lächerlich wirkenden Erklärung suchen müssen. Es gab keine Leiche!
»Ich… dieser Mann!« Sie deutete mit dem Lauf der Waffe auf die Kleidungsstücke. »Er … wollte Sie angreifen, und dann …«
Nicole war ebenfalls ausgestiegen und herangekommen. Sie berührte die Schulter der Frau und nahm ihr mit der anderen Hand vorsichtig die Pistole ab. »Bevor Sie Dummheiten damit machen«, sagte sie erklärend.
»Er ist zerfallen, nicht wahr? Er hat sich aufgelöst… was war das? Ich begreife das nicht!« Die Augen der Frau flackerten.
»Sie wurden von ihm bedroht«, sagte Zamorra. Es war mehr eine Vermutung. Doch warum sonst hätte die Frau die Pistole in der Hand haben sollen, nachdem sie ein paar Minuten zuvor fluchtartig im Haus verschwunden war? Und das Verhalten des Dämons war mehr als auffällig gewesen.
»Ja…« sagte die Frau. »Wer sind Sie?«
Zamorra stellte Nicole und sich vor.
»Parapsychologe?« echote die Frau. Für Augenblicke schien es Zamorra, als liege ihr etwas auf dem Herzen, dann aber verschloß sich ihr Gesicht wieder. Sie preßte die Lippen fest aufeinander.
»Sie sind einer Sinnestäuschung erlegen«, sagte Zamorra leise und eindringlich. Bevor die Frau reagieren konnte, berührten seine Fingerkuppen bereits ihre Schläfen. »Sie haben geträumt«, fuhr er fort.
»Es ist nichts wirklich geschehen.«
Er löste den Kontakt wieder. Wie in
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