0156 - König der Druiden
Geräusch erklang, und mit kraftvollen Schlägen zog eine gigantische Fledermaus die Straße entlang.
»Das ist er«, murmelte das Mädchen. »Wo fliegt er hin?«
Die riesige Fledermaus steuerte ein Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite an, rund fünfzig Meter entfernt. Dort stand ein Fenster offen. Und dieses Fenster war das Ziel der Fledermaus.
»Los!« zischte der Mann mit der durchtrainierten Sportlerfigur. Er rannte los. Das Mädchen folgte ihm in weiten, elastischen Sprüngen. Sie hetzten auf das Haus zu, in das die große Fledermaus durch das geöffnete Fenster eindrang. »Jetzt haben wir ihn«, stieß das Mädchen hervor.
In der Hand des Mannes schimmerte ein silbernes Pfahlkreuz!
***
Im zeitlosen Sprung hatte der heimliche Beobachter Caermardhin erreicht und stand vor dem Mädchen, dessen goldenes Haar bis auf die Hüften herabfloß. Aus grünen, leuchtenden Augen sah sie ihn fragend an. »Sie kommen, Teri«, beantwortete er ihre unausgesprochene Frage, »und es scheint, als wollten sie es jetzt endgültig wissen. Sie haben einen Spider im Einsatz!«
Teri Rheken blieb ruhig, nur ihre Augen blitzten, als sie erwiderte: »Dann wird es Zeit, ihnen zu zeigen, daß sie auf dieser Welt nichts zu suchen haben! Hast du in Erfahrung bringen können, ob sie das Dorf schon kontrollieren?«
»Sie kontrollieren es noch nicht, aber es wird nicht mehr lange dauern«, sagte der Mann, der aussah wie ein Zehntausendjähriger, dessen Gesicht übermenschliche Reife und Weisheit ausdrückte und dessen Augen doch so jung waren. Weiß war das dichte Haupthaar, weiß der ellenlange Bart, der fast bis auf die goldene Gürtelschnalle reichte. Weiß war auch die wallende Kutte und der Gürtel, in dem eine goldene Sichel steckte, aber flammendrot der Mantel, der um seine Schultern lag und auf dessen Rücken ein wiederum goldener Drudenstern eingestickt war. »Daran wird sich nichts ändern, selbst wenn der Spider zerstört wird. Er gleitet durch die Bäume, als existierten sie nicht. Sie müssen eine Weiterentwicklung zustandegebracht haben, denn die Chibb konnten das nie.«
Teri nickte. »Vielleicht können wir einen von ihnen gefangennehmen.« Sie nickte dem Weißhaarigen zu. »Ich springe«, kündigte sie an. Der Mann lächelte. Diesmal blieb er in Caermardhin. Im nächsten Moment flimmerte es um den schlanken Körper der Goldhaarigen, dann gab es sie in diesem Raum nicht mehr. Im zeitlosen Sprung hatte sie Caermardhin verlassen, um draußen, vor Ort, wieder aufzutauchen.
Ihre Augen brauchten sich nicht auf die anderen Lichtverhältnisse umzustellen. Wie der Alte, sah auch sie im Dunkeln so gut wie am hellen Tag.
Sofort erfaßte sie den Spider, der schwarz, drohend und riesig durch den Wald glitt. Aber jetzt, nahe daran, sah sie mehr, als ihr Gefährte hatte entdecken können. Um das schwarze, konturlose Wabern, das den Spider umgab, befand sich noch etwas anderes. Eine hauchdünne Schicht, die fast schwarz, in einem kaum noch sichtbaren Violett, schimmerte. Dort wallten unheimliche, gefährliche Energien einer fremden Dimension. Das mußte der Schirm sein, die Weiterentwicklung, die den Spider in ein Zwischenstadium brachte, das ihn durch diese Welt gleiten ließ, ihn aber gleichzeitig in einer anderen Dimension hielt und damit alle Hindernisse automatisch nicht existent werden ließ. Teri sah, wie die Bäume hinter dem Spider wieder auftauchten. Er durchdrang sie.
Die Einzelnen, die vorangingen, waren für sie und für Caermardhin ungefährlich - noch. Denn die magischen Sperren konnten ihnen widerstehen. Anders war es, wenn der Spider seine mächtigen Bordwaffen zum Einsatz brachte. Teri hatte erlebt, wie ein Spider weit draußen in Raumtiefen einen kleinen Planeten zerschmettert hatte.
Aber es würde nicht dazu kommen. Sie würde ihn vernichten. Nur ganz kurz wunderte sie sich, warum die Schwarzen diesen Weg nahmen, warum sie nicht mit dem Spider einen Direktangriff flogen.
Dann schlug sie blitzartig zu!
***
Gryf hatte den Langzahnigen gesehen. Der Bursche hatte sich als Fledermaus im Schwebeflug auf das geöffnete Fenster gestürzt, um dann einzudringen und die Umwandlung vorzunehmen.
Warte, Freundchen, dachte Gryf. Daß das deine letzte Schandtat ist, weißt du hoffentlich und mit deinem Staub kann man bei Glatteis die Gehwege abstreuen…
Gryf näherte sich dem Haus von der Rückseite. Er beabsichtigte, durch das gleiche Fenster einzusteigen wie der Bursche, dem er seit Tagen auf der Spur war.
Gryf
Weitere Kostenlose Bücher