016 - Die Schlangenköpfe des Dr Gorgo
Tochter des Ehepaares, verstand
es oft sehr geschickt, diesen Verpflichtungen zu entgehen. Es war nicht ausgeschlossen,
dass sie sich auch diesmal um die Party drückte.
Er musste versuchen, an der nächsten Abzweigung nach rechts
einzubiegen, um nach Möglichkeit so schnell wie möglich in den Stadtbezirk
Notting Hill zu kommen. Dort wohnten die Thorntons . Er
musste das Haus beobachten, um ganz sicher zu sein. Bisher hatten seine
Planungen immer einwandfrei geklappt. Er übereilte nichts.
Doch bevor er Notting Hill erreichte, war noch etwas anderes zu
erledigen.
Es dauerte mehr als eine halbe Stunde, ehe Gorgo Gelegenheit
hatte, an den Straßenrand heranzufahren, wo Parkerlaubnis erteilt war. Er
befand sich in der Nähe des Longway Theater.
Dunkle Gestalten, verwaschene Lichtflecken, kaum zu erkennen der
beleuchtete Eingang und die Schaukästen.
Fünf Uhr.
Um diese Zeit kam sie meistens. In zwei Stunden war die erste
Abendvorstellung.
Gorgo biss sich auf die Lippen. Wie ein Gnom hockte er hinter der
Scheibe und starrte in den Nebel.
Dann kam sie - Gay Malcolm. Der weiße Bentley hielt nur wenige
Meter hinter dem schwarzen Bentley. In einen Maximantel gehüllt, verließ Mrs.
Malcolm den Wagen, nachdem sie noch kurz mit ihrem Chauffeur gesprochen hatte.
Die hochaufgerichtete, schlanke Gestalt mit dem schulterlangen, schwarzen Haar
passierte das wartende Auto.
Gorgo sah die Umrisse eines bleichen, vertrauten Gesichtes, das
sich ihm kurz zuwandte. Die Ähnlichkeit mit Sarah war frappierend. Ein Zucken
lief über Gorgos Gesicht. Bald würde auch Gay ihre Tochter wiedersehen. Alle
würden kommen, alle . . .
Das war sein großes Ziel: Sie sollten den Schlangenköpfen ihrer
Töchter begegnen! Nur bei Henriett Wells gab es eine Ausnahme. Ein Teil des
Großhirns von Bianca war dem Hirn des Collies eingepflanzt worden. Henriett
würde begreifen, warum er dies getan hatte. Es war seine Rache für die
Bezeichnung, die sie ihm mal an den Kopf warf. Aber er musste sich beeilen. Der
Hund war krank geworden. Nach dem letzten Besuch im Hause von Henriett Wells
hatte der Collie sich verändert. Er hatte Fieber, lag apathisch unter einer Bank
am Ofen und reagierte kaum noch. Mit dieser Reaktion hatte er, Gorgo,
gerechnet. Aber er hatte nicht erwartet, dass sie so schnell kommen würde.
Die Schauspielerin verschwand in einem Seiteneingang des Longway
Theaters. Gorgo sah ihr nach. Reglos wie eine Schaufensterpuppe saß er im Auto.
5.15 Uhr. ..
Um diese Zeit musste er kommen. Der Zeitungsjunge. Gorgo erblickte
die Gestalt des Vierzehnjährigen, als er um die Straßenecke bog. Der Junge trug
eine dunkelkarierte Jacke und Bluejeans, die an den Hosenbeinen ausgefranst
waren.
Gorgo kurbelte das Fenster herunter, rief dem Boy zu, der sofort
herbeieilte und ihm eine druckfrische Zeitung entgegenstreckte.
Gorgo hatte einen Schilling in der Hand. »Du kannst dir einen
zweiten verdienen, willst du das ?« fragte er.
»Natürlich, Sir«, krähte der sommersprossige Junge.
»Du brauchst dafür gar nicht viel zu tun. Hinter dir - das Longway
Theater - da musst du hingehen. Gib beim Portier dieses Päckchen ab .« Mit diesen Worten schob Gorgo das kleine, fast
quadratisch verschnürte Objekt aus dem Fenster. »Der Name der Empfängerin steht
drauf. Der Portier weiß Bescheid, wem es gehört .«
Mit dem Päckchen drückte Gorgo dem Jungen gleichzeitig ein kühles
Schillingstück in die Hand.
●
Der Junge war noch nicht richtig im Haupteingang verschwunden, da
fuhr der Unheimliche schon los. Der Verkehr hatte sich nicht verstärkt. Viele Büroangestellte
ließen ihren Wagen stehen. Der Nebel hatte bedrohliche Formen angenommen.
Innerhalb der Stadt war der Verkehr praktisch zusammengebrochen. Man hörte das
gellende Pfeifen der Bobbys, die lautstark auf sich aufmerksam machten. Aus der
Nebelwand dröhnte ein Lautsprecher und eine Stimme teilte mit, dass vor dem
Befahren der St. George Street gewarnt würde. Die Straße sei hoffnungslos
verstopft.
Gorgo erhielt durch diesen Hinweis gerade noch rechtzeitig die
Möglichkeit, auszuweichen und in eine Seitenstraße einzubiegen. Dort herrschte
kaum Verkehr. Gorgo musste ganz ums Quadrat fahren, ehe er eine halbe Stunde
später endlich über die Chapel Street in die Praet Street einbiegen konnte. Von
hier aus benutzte er nur noch die am wenigsten befahrenen engeren Straßen und
Gassen. Normalerweise wäre er über die Bayswater Road, die am Hyde Park
entlangführte, Richtung
Weitere Kostenlose Bücher