0165 - Die Bestien aus dem Geistersumpf
bestimmt.« Kaum hatte ich das letzte Wort ausgesprochen, als ich meine linke Hand öffnete und, ihm das Kreuz zeigte.
Plötzlich breitete er die Arme aus. Ich wußte nun, daß ich ihn geschockt hatte.
»Sieh es dir an, Osenberg!« flüsterte ich. »Sieh es dir genau an! Damals hast du diesem Kreuz die Treue geschworen, aber du hast den Schwur gebrochen. Jetzt ist die Zeit reif, wo sich das Kreuz dafür an dir rächen wird. Es wird dich vernichten, du Teufel in Menschengestalt. Du Wahnsinniger, du Dämon…«
Meine Worte schienen auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein, denn Osenberg zeigte sich irritiert. Er wußte nicht, wie er reagieren sollte.
»Töte ihn!« keuchte Will Mallmann. »John, ich bitte dich. Bring ihn um!«
Ich schrie den ehemaligen Pfarrer an. »Dem Kreuze hast du abgeschworen, durch das Kreuz sollst du sterben!«
Und dann schleuderte ich mein geweihtes, mit der Kraft der vier Erzengel verstärktes Kruzifix, auf Osenberg zu, der dem Metall auch durch eine noch so schnelle Bewegung nicht aus weichen konnte.
Er nahm den Treffer voll.
Ich sah ihn unter der Decke schweben, sah sein verzweifeltes Aufbäumen. Der Rücken bog sich durch. Vom Kreuz aus schleuderten Blitze nach allen Seiten weg. Sie drangen wie Messer in den falschen Pfarrer hinein und zerschnitten ihn.
Ja, er wurde auseinandergerissen. Ihn traf die harte, aber gerechte Strafe des Himmels.
Auch seine Laterne zerplatzte, wobei die Splitter durch den Raum flogen.
Zurück blieb ein ätzender Rauch, der in dicken Schwaden über unseren Köpfen hinwegtrieb Ich hatte ihn besiegt, doch um welchen Preis.
Drei Menschen waren in diesem Zimmer von dem schrecklichen Erbe des unheimlichen Pfarrers befallen worden.
Erna Schwenke, die Wirtin, atmete kaum noch. Die Hälfte ihres Körpers zeigte die braune Farbe, wobei die Haut wie brüchig gewordenes Leder wirkte.
Professor Diefenthal lag auf dem Boden. Auch sein Hals wies die äußerlichen Eigenschaften des Sumpfmonsters auf. Zudem war er noch von einer Kugel getroffen worden.
Dann Will Mallmann. Seine Hand sah schlimm aus. Die Verwandlung in ein Sumpfmonster war kaum mehr aufzuhalten.
Mußte ich ihn töten?
Ich kniete neben ihm.
Er schaute mich an. Mit einem Blick, der alles ausdrückte. Furcht, Trauer, Angst…
»Wie ist es passiert, Will?« Meine eigene Stimme kannte ich kaum noch wieder.
Ihm fiel das Sprechen schwer. »Ich habe die Sumpfmonster berührt.«
»Aber ich auch!«
»Dann müßtest du…«
»Bei mir ist alles normal!« Verdammt, wieso war ich nicht in Mitleidenschaft gezogen worden?
Hatte ich einen Schutz?
Ja, das Kreuz!
»Moment«, sagte ich, schnellte hoch und nahm mein Kreuz auf. Will schaute mir zu, als ich es gegen seinen in Mitleidenschaft gezogenen Arm preßte.
Er schrie auf.
Ein fauliger Gestank ließ Übelkeit in mir hochschießen. Ich unterdrückte das Gefühl, zog das Kreuz wieder zurück und hätte schreien können vor Freude.
Der Arm war völlig normal Will Mallmann sagte nichts. Er konnte nicht sprechen, schaute mich an und fiel um.
Die letzten Minuten waren zuviel für ihn gewesen…
***
Auch Professor Diefenthal konnte gerettet werden. Ebenso die Wirtin Erna Schwenke.
Dem Professor allerdings ging es schlecht. Er mußte ins nächste Krankenhaus geschafft werden. Das besorgte ein Notarztwagen. Dagmar fuhr mit.
Sie verabschiedete sich sehr herzlich von Will Mallmann. Die beiden verabredeten ein Treffen.
Mich hielt eigentlich nichts mehr. Am anderen Morgen setzte ich mich in meinen Wagen und rauschte ab, nachdem ich mich von Kommissar Mallmann herzlich verabschiedet hatte und er sich noch einmal für seine Rettung bedankte.
Als ich in Hamburg eintraf und den Wagen wieder abgab, führte ich noch ein Telefongespräch. Ich wollte wissen, wie es dem Professor ging.
Er würde durchkommen.
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Als zwei Stunden später die Maschine vom Rollfeld abhob, hatte ich den Geistersumpf schon vergessen. London wartete auf mich und bestimmt ein neuer Fall, denn anders war es noch nie gewesen…
ENDE
[1] Siehe John Sinclair Nr. 129 »Der Zyklop aus der Hölle«
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